Rezension
Björk
Biophilia
Highlights: ...
Genre: Experimental Pop
Sounds Like: Roisin Murphy // Feist // Camille // Radiohead // Zola Jesus
VÖ: 07.10.2011
Seien wir mal ehrlich: wenn wir über Björks neues Megalo-Projekt "Biophilia" sprechen, wird die Musik zur Nebensache. Mehr noch: sie entzieht sich einer objektiven Bewertung nahezu gänzlich. Björks Stimme ist wieder das musikalische Zentrum und so klar und dringlich wie zuletzt auf "Vespertine". Doch das rein Musikalische gerät – zumindest in der ersten Auseinandersetzung – etwas in den Hintergrund.
Kein Wunder, denn auf "Biophilia" beschäftigt sich die Isländerin mit dem Ineinandergreifen wissenschaftlicher Fakten und emotionaler Momente. Die Auseinandersetzung mit dieser Thematik findet nicht nur auf musikalischer, also inhaltlicher Ebene statt, sondern wird hauptsächlich im konzeptionellen Überbau ausgehandelt. "Biophilia" ist mehr als ein Album. Es besteht aus einer eigens eingerichteten Website, einem Dokumentarfilm, natürlich der Platte selbst, musikpädagogischen Seminaren in den jeweiligen Tourstädten und als Kern des Konzepts einer App für iPhone/iPad/iPod Touch, in der der Konsument die Möglichkeit hat, interaktiv das "Biophilia"-Universum zu erforschen. Jeder Song erhält eine eigene App und kann so erforscht werden. Tatsächlich ist es regelrecht möglich, in das Universum einzutauchen, zu interagieren und sich seine individuelle Version zu erarbeiten. Björk ist damit voll am Puls der Zeit und der User blickt hinter die Kulissen. Ein kleines bisschen kommt man dem Mysterium Björk näher, das so verrückte Dinge wie selbstgebaute Instrumente und ein eigenes Notationssystem, das aus speziellen Formen und Farben besteht, bereithält.
Björk zeigt mit "Biophilia" mehr denn je, dass sie die Schnittstelle aller Gegensätzlichkeiten bildet – Natur und Technik, Wissenschaft und Kunst, analog und digital. Mit diesem Projekt versteckt sich Björk nicht hinter blindem Zukunftsoptimismus. Das Medium ist hier nicht die Message, wenn auch Teil derselben. Letztendlich gehört die Isländerin zu den wenigen Weltstars, die tatsächlich noch etwas erschaffen wollen. Und wenn "Biophilia" dann auch soundtechnisch an einen inhaltlich um das Thema Leben und Technik erweiterten Nachfolger von "Vespertine" erinnert, der in seiner Komplexität sehr organisch die beiden Antipoden Wissenschaft und Kunst zusammenbringt und den Menschen (symbolisiert von Björks kristallklarem Gesang) in den Mittelpunkt stellt, dann bleibt, seien wir doch mal ehrlich, nichts mehr zu wünschen übrig.
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