Rezension
Ben Lukas Boysen
Spells
Highlights: Nocturne 3 // Sleepers Beat Theme // Golden Times I // Golden Times II
Genre: Neo-Klassik // Experimental
Sounds Like: Nils Frahm // Hauschka // Ólafur Arnalds // Explosions In The Sky
VÖ: 10.06.2016
Über Erased Tapes kann man gar nicht genug Lobeshymnen schreiben. Hier ist eine weitere, die dann aber auch zu einer über Ben Lukas Boysen wird, da er zu gut ist, um nur über sein Label zu schreiben. (Was wiederum für sein Label spricht.) Er selbst sagt: „Meine Sichtweisen von Erased Tapes verstanden, reflektiert und willkommen geheißen zu finden, war eine ermutigende Erfahrung.“ Es könne „kein besseres Zuhause für bestehende und keinen besseren Umgang für neue Ideen“ geben. Wahrlich ist das, was Robert Raths aufgebaut hat und kontinuierlich weiterlebt, einzigartig. Ein tiefes Gespür für besondere Musik hat eine Künstlersammlung erschaffen, die einzigartig ist und die ein gemeinsamer Charakter vereint: Es ist der Charakter des „Recording Artists“.
Auf dem Label kommen Künstler zusammen, die eine ganz besondere Vision davon haben, wie ihre Musik auf Platte klingen soll. Das Livespielen ist der Job, Musik im Studio zu kreieren ist die Kunst. Ben Lukas Boysen fügt sich hier – gemischt und gemastert übrigens, na logo, von Nils Frahm – ganz wunderbar ein. Der in Berlin ansässige Künstler verbindet auf „Spells“ programmierte Klavierstücke mit Live-Instrumenten, Schlagzeug, Cello, Harfe. Dazu kommt eine Auswahl an Effekten – Echos, Delays, Kompressoren, all das erzeugt einen ganz besonderen Klang, der, so Boysen selbst, „bewusst Hörgewohnheiten in Frage stellen und herausfordern“ soll – und das auch schafft. „Spells“ klingt wie ein Hybrid aus Improvisation und Komposition, ist vielschichtig, aber doch sehr einfach. Bewusst setzt er viele Elemente spärlich ein, mitunter an der Grenze dazu, was überhaupt einen Song oder eine Komposition ausmacht.
So ergießt sich das Album in einem kontinuierlichen Hintergrund, den Klavierfragmenten, und einem auf- und abwallenden Effekt- und Improvisationsrausch, nie zu laut, stets dezent, der die Strukturen aufbricht, nur um dann wieder in sie zurückzufließen. Gerade in „Golden Times I“ ist dies hervorragend zu hören. Ein schlüssiges Ganzes ergibt sich, dessen Hörgenuss zeitlos ist. Gerade die ruhigeren Stücke wie das warme „Sleepers Beat Theme“ tragen dazu intensiv bei. Sie geben dem Album die Ruhe, die es benötigt, um dann etwa in „Nocturne 4“ wieder abzuheben. Ein klassisch ausgebildeter Musiker, der sich aber auch viel mit Godspeed You! Black Emperor beschäftigt hat, kann eigentlich wenig falsch machen. Dann kommt auch noch das richtige Label und der richtige Mitstreiter in Nils Frahm dazu, und es läuft eigentlich fast nix falsch. Großartiges, spannendes Album. Danke für’s Entdecken, Erased Tapes.
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