Es gibt sie immer wieder. Diese Projekte, die man schon lange im Auge hat, und die man dann doch immer wieder vor sich herschiebt. Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem man das Ganze endlich angeht oder man verwirft nach tiefgehender Selbstreflexion das inzwischen vielleicht doch nicht mehr so wichtige Ziel. Die Zusammenarbeit mit Charlie Musselwhite von Ben Harper ist so ein Fall und gehört glücklicherweise zu der ersteren Kategorie. Als die beiden sich das erste Mal begegneten, waren beide bei Charlies gutem Freund John Lee Hooker als Gastmusiker eingeladen und brauchten nicht lange, um ihre gemeinsame Wellenlänge zu erkennen und gemeinsame Pläne auszutüfteln.

Für diejenigen unter euch, die nicht die Namen sämtlicher Blueslegenden nachts um halb vier rückwärts aufsagen können: Charlie Musselwhite ist wohl einer der besten Mundharmonikaspieler, die noch unter uns weilen (nichts für ungut, Mick Jagger) und war lange unter dem Namen The White Blues Man bekannt. Wer Blues Brothers 2000 gesehen hat, durfte ihn in einem Cameo-Auftritt bewundern. Dan Aykroyd konnte es sich nicht nehmen lassen, sein Role Model für Elwood in die auch ansonsten nicht übel besetzen Louisiana Gator Boys zu integrieren.

Mit Charlie Musselwhite wirkt der Harper-typische Stilmix noch etwas erdiger und, was nicht besonders überraschend ist, blueslastiger als gewohnt. Somit schaffen die beiden genau die richtige Atmosphäre für die von reichlich Lebenserfahrung geprägten Lyrics. "Get Up!" klingt, als wäre das Album in einem einzigen Take am Stück eingespielt worden, dem Session-Charakter kann man sich dank antreibender und kraftvoller Harmonien kaum entziehen. Die kontrapunktierende Mundharmonika gibt den Songs eine enorme Tiefe, ganz egal, ob der Grundstil akustisch und stark gefühlvoll angelegt ist wie in „You Found Another Lover (I Lost Another Friend)“ oder dank E-Gitarre aufwiegelnd wie „I Don't Believe A Word You Say“. Der obligatorische Gospelchor darf natürlich nicht fehlen und wurde in „We Can't End This Way“ gekonnt eingeflochten.

"Get Up!" ist mit 40 Minuten etwas kurz geraten, was aber nichts daran ändert, dass Ben Harper und Charlie Musselwhite ein zeitloses Blueskleinod erschaffen haben. Es kann sich also doch lohnen, eine alte Idee endlich durchzuziehen. Vielleicht war es sogar genau richtig, sie etwas reifen zu lassen, wer kann schon sagen, ob eine Zusammenarbeit vor zehn Jahren auch dieses Niveau erreicht hätte?

Marcel Eike

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