Rezension

Belle & Sebastian

Write About Love


Highlights: Come On Sister // I Want The World To Stop // I'm Not Living In A Real World
Genre: Twee-Pop // 60s-Pop
Sounds Like: Field Mice // Jens Lekman // The Magnetic Fields // Thin Lizzy

VÖ: 08.10.2010

Es sollte eine Weile dauern, ehe sich Belle and Sebastian darauf einlassen konnten, der großen, weiten Welt mit verlegener Schüchternheit ein neues Album zu schenken. Tiefsinnig und einfühlsam vermochten es die Herrschaften um den einst so scheuen Stuart Murdoch über Jahre hinweg, der Welt Zuversicht und Halt, hübsch dekoriert in intelligenten Zeilen und verträumten Melodien, zuzuflüstern. Soll es jetzt als Aufforderung verstanden werden oder als Anachronismus zu "69 Lovesongs" der Magnetic Fields, das neue Album "Write About Love"?

Freuen wir uns bei all dem lieber über ein Lebenszeichen der Band, welches vier Jahre lang auf sich warten ließ. In moments of quiet I feel a sort of maturing, schreibt Murdoch und mit schwingt die Furcht, dass es bisweilen zu ruhig werden könnte um die Band, die uns stets so treu war. Viel zu schnell entgleitet die Zeit, rast unaufhaltsam und lässt eine Spur des Endgültigen hinter sich. Auch Murdoch wird dies in stillen und leisen Momenten bewusst. Im Booklet ist davon zu lesen. "I Want The World To Stop" ist die voller Optimismus offerierte Reaktion darauf. Da teilt jemand genau das, wovor man sich selbst fürchten mag, der darüber lacht und uns dadurch beruhigt. Plötzlich sind Belle and Sebastian einem wieder so vertraut wie eh und je und die Freude darüber, dass es immer noch so ist, beflügelt die Laune ungemein. Beschwingt geht es auf Achterbahnfahrt im Ringen um die Zuneigung der unerreichten Schulkönigin in "Come On Sister", wobei Synthesizer aus den Siebzigern das Gefühl geben, auf dem kunterbunten Rummel umherzuschlendern und sich mit Zuckerwatte den Mund zu verkleben. Soll aber nicht heißen, dass die schönen, eleganten Arrangements, die Streicher und Trompeten und der einfache Einsatz des Schlagzeugs, der in den Songs wirkungsvoll zu Tage tritt, abhanden gekommen wären. Es gibt sie noch. Dann ist es fast so wie früher: Nach einem Hördurchgang früherer Platten, die das Plattenregal in chronologischer Reihenfolge lückenlos führt, nach unsäglich vielen Hördurchgängen in Zeiten der Selbstfindung und der Traurigkeit, war danach alles um einen herum losgelöst und alles weitere gelang leichtfüßig. Belle and Sebastian nahmen die Schwere der Welt hinweg, im Wissen darum, dass der Weg, den man geht, ein steiniger und schwerer sein mag. Den gutgemeinten Rat "If You're Feeling Sinister" nahm man dankbar auf, war froh, einen Moment innehalten zu können und sich unbeobachtet vor dem Spiegel den Frust aus dem Leib tanzen zu können, um sich anschließend gekräftigt zur nächsten Bergetappe aufzumachen. Das klingt wahrlich hochtrabend.

Verändert hat sich dennoch so einiges. In manchem Song ist alles so wunderbar und wunderschön, dass sich die Songs beinahe ironisch ins Gegenteil verkehren und stichelnd provozieren. Im Bemühen um ein harmonisches Miteinander steuerten auch die Bandmitglieder Mick Cooke und Sarah Martin Songs für "Write About Love" bei, die der Ganzheitlichkeit des Albums weniger dienlich ausfallen. "I Can See Your Future", produziert und gesungen von Sarah Martin, weckt ehrlicherweise mehr die Sehnsucht nach Isobel als nach weiteren schrägen Elegien von Sarah. Eine Veränderung, die mit "Dear Catastrophe Waitress" Einzug nahm, bleibt ebenso erhalten. Da wäre das stetig gestiegene Selbstbewusstsein der Band und auch das Bekennerschreiben zur Popmusik, welches sich auf dem neuen Album in einer Kollaboration mit Norah Jones manifestiert. "Don’t Know Why?" So ergeht es wahrscheinlich dem alteingesessenen Fan, der sich in der Unsicherheit und Schüchternheit der früheren Belle and Sebastian widerfand. Dieser löscht das Licht, versinkt in völliger Dunkelheit in seinem Sessel, über den alten Pioneer-Kopfhörer erklingt "Slow Graffiti", und wehmütig fließt eine Träne in den weiten Kosmos. „Diese Tiefe erreichen die neueren Balladen doch nimmermehr“, schluchzt er oder sie.

Achim Schlachter

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!