Rezension

Audio88 & Yassin

Normaler Samt


Highlights: Schmutzige Rapper // Mann im Mond // Normale Freunde
Genre: Deutsch-Rap
Sounds Like: Mädness // Grim104 // Fatoni & Edgar Wasser

VÖ: 13.03.2015

Bei dem „Möchtegern-Kanacken und der Glatze mit der Zahl“, wie Yassin und Audio88 sich selbst nennen, ist alles ganz normal. Ganz normale Promo und ein ganz normales Album von zwei ganz normalen Typen. Nach besonderem Image sucht man bei den Berliner Rappern vergebens. Zumindest auf den ersten Blick. Denn natürlich ist der Albumtitel eine Anspielung auf das legendäre Torch-Album „Blauer Samt“ und auch das Artwork der beiden parodiert das stereotype Gangsta-Gehabe diverser Kollegen. Aber kann man ein ganzes Album mit Parodie füllen?

Ganz so eindimensional ist es dann eh doch nicht. Denn neben den üblichen Battle-Rap- und Representer-Tracks gibt es gleich eine ganze Fülle an gesellschaftskritischen Texten. Im Verhältnis zum 2014er-Album „Der Letzte Idiot“ von Audio88 ist das alles zwar weitaus weniger ernst und auch die Instrumentals drücken an der ein oder anderen Stelle deutlich nach vorne, aber der Verdruss gegenüber der modernen westlichen Gesellschaft ist omnipräsent. Nicht, dass die beiden Nörgler Verbesserungsvorschläge hätten, aber das reine Anklagen von Dingen, die sie nerven, ist ihr gutes Recht und noch dazu unglaublich unterhaltsam. Zeilen wie „Du würdest dich gern tätowieren lassen, aber wenn, dann etwas Wichtiges und du fragst dich, was denn“ zeugen von einer präzisen Beobachtungsgabe der Generation Y und Beleidigungen wie „Deine Mutter kontrolliert ehrenamtlich Fahrscheine in der U8“ müssen erst mal sacken, bevor sich ihre ganze Genialität langsam im Gehirn ausbreitet und das Grinsen breiter wird.

Die Beats sind dabei größtenteils sehr minimalistisch und passen zu jedem Zeitpunkt zu der einfachen, fast gesprochenen Art zu rappen, die Audio88 und Yassin eben doch nicht ganz so normal, sondern zu einer (wenn auch streitbaren) Ausnahmeerscheinung in der Szene macht. Die Aggressivität ist latent, aber jederzeit spürbar und die Grenze zwischen Weinen und Lachen nicht nur dünn, sondern kaum mehr mit dem Mikroskop sichtbar.

Ein besonderes Highlight ist der zehnmimütige Posse-Track „Normale Freunde“ auf dem sich fast nur gute Rapper von Grim104 bis Megaloh tummeln. Vermutlich sind auf diesem Track alle Rapper vertreten, die Köfte-Yassin und Schnitzel-Audio nicht scheiße finden. Ein Wunder eigentlich, dass es überhaupt so viele sind. Denn mit ihrer Anti-Haltung hatten die beiden Rapper es in der Szene oft mit durchmischter Resonanz zu tun. Das ist im Jahre 2015 anders. Momentan können sich viele HipHop-Fans auf die beiden einigen. „Normaler Samt“ ist ein gänzlich unnormales Album. Aber Understatement gehört bei Audio88 und Yassin eben zum Konzept.

Arne Lehrke

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