Rezension

Antitainment

Ich Kannte Die, Da Waren Die Noch Real


Highlights: Drei Tage Schlafen // Eigentlich Wollte Ich Ja Nicht Mehr Über Musik Reden, Sondern Jammen // Neulich Im Seminar Für Existenzgründung // Eigentlich Wollte Ich Ja Nicht Mehr Über Musik Reden, Sondern Raven
Genre: Nintendo-Hardcore
Sounds Like: HORSE The Band // Mindless Self Indulgence // Escapado

VÖ: 02.07.2010

Willkommen auf der Meta-Ebene. Was tun, wenn ehemalige Gegenbewegungen jetzt ungefähr so „gegen“ sind wie ein Vanilla Frappucchino Light? Wenn die durchschnittliche „Sub-“Kultur mehr Konservativismus einfordert als der Freistaat Bayern? Wenn die Welt von Hipstern mit Brille, aber ohne Sehschwäche überrannt wird? Who ya gonna call? Antitainment!

Hierzu könnte man nun natürlich den schmissigen Ghostbusters-Song summen – oder gleich auf eine der unzähligen komplett bescheuerten, aber herrlich eingängigen Melodien zurückgreifen, die Antitainment seit jeher auf feinstes Hardcore-Geboller legen. Und da dies nun mittlerweile schon auf einem dritten Album so gemacht wird, schwenkt die Band sicherheitshalber schon einmal von alleine die Fahne, auf der Sellout geschrieben steht und verprügelt dabei gleich alle Schlauköpfe damit, die sich über den Idioten-Anteil auf den Konzerten beschweren, ohne die Ironie in dieser Ansicht zu erkennen: „Eigentlich Wollte Ich Ja Nicht Mehr Über Musik Reden, Sondern Verkaufen“ ist das Stichwort.

Aber um wirklich nicht mehr über Musik zu reden, haben Antitainment eigentlich auch viel zu viel Ahnung der typischen Handgriffe dieser Kunst, was sich auf dem Vorgänger bereits in der Maschine, die den perfekten Popsong schreibt manifestierte: So müsste beim Jammen möglichst schnell ein Thema eingeschmissen werden, nicht um es zu entwickeln, sondern durch stete Wiederholung in die Köpfe einzumeißeln. Passend hierzu: Stete Wiederholung der letzten Zeile. Form folgt Funktion, ebenso, wenn die hirnrissigste Synthiemelodie ans Ende des manifest-ähnlichen Openers gestopft wird, damit das Ganze nicht zu larmoyant klingt.

Die Funktion von Antitainment im Allgemeinen: Alles durch den Kakao ziehen, was in der bunten Welt der Musikszene irgendwie cool, anti oder in scheint – man könnte hier von „Dekonstruktion“ reden, aber so ein Modewort würden Antitainment nur genauso ins Lächerliche ziehen, wie sie es mit bewusstseinserweiternden Drogen („Eigentlich Wollte Ich Ja Nicht Mehr Über Musik Reden, Sondern Raven“) oder Fankultur („Und Was Hast Du So Gemacht?“) tun. Und, was eben das Tollste an der Sache ist: Das Ganze passiert auf einem Parforceritt von Hit zu Hit, von Riff zu Ohrwurmmelodie, die zwar meistens so schnell wieder um sind, wie sie angefangen haben, aber quasi dazu einladen, vor dem Konzert die relevanten Textzeilen auswendig zu lernen, zum Mitsingen - wenn sich Antitainment über so ein Verhalten nicht schon auf „Nach Der Kippe Pogo?“ lustig gemacht hätten. Wir sind ja schon ruhig.

Jan Martens

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