Rezension

Andy Stott

Faith in Strangers


Highlights: Violence // Damage // Faith In Strangers
Genre: Dub // Techno // Avantgarde
Sounds Like: Burial // Boards Of Canada // FKA Twigs

VÖ: 14.11.2014

Andy Stott ist ein sehr reflektierter Musiker. Zwei Jahre sind vergangen, seit er mit „Luxury Problems“ 2012 die Elektro-Welt aufmischte, zum Jahreshighlight in Nerdlisten avancierte und das schaffte, was man gemeinhin „Durchbruch“ nennt. Anstatt es sich bequem zu machen, machte er weiter. Ganze anderthalb Jahre, von Januar 2013 bis Juni 2014, arbeitete der britische Produzent an dieser Folgeplatte, „Faith In Strangers“. Stott ist ein äußerst ambitionierter Künstler, anstatt sich auszuruhen, holt er auch 2014 noch einiges an Innovation und neuen Ideen aus einem Genre, in dem diesbezüglich noch vergleichsweise viel zu holen ist, heraus.

Auch „Faith In Strangers“ ist am ehesten in den Bereichen Dub und Techno zu verorten, ohne sich jedoch jemals klar in eine Schublade stecken zu lassen. Stott ist ein Meister der analogen elektronischen Clubmusik, bewegt sich schwebend zwischen Avantgarde und Popmusik mit Stimme. Auf „Faith In Strangers“ reizt er den Bereich zwischen den zwei Punkten weit aus. Er bedient sich aus einem großen Pool an Instrumenten, Feldaufnahmen, gefundenen Geräuschen und nicht zuletzt der Stimme Alison Skidmores, seiner ehemaligen Klavierlehrerin. Dieser weite Pool ergibt durch die großartige minimalistische Produktion ein schlüssiges klangliches Gesamtbild ab. Stotts Musik lebt mehr durch Impulse als durch wirkliche Beats, der Raum zwischen den einzelnen Impulsen ist genauso wichtig wie die Impulse selbst. So wirkt seine Musik mitunter narkotisierend, wie etwa „Violence“, der erste „richtige“ Track des Albums.

Die Platte beginnt nämlich mit dem auf Field Recordings basierenden „Time Away“, praktisch ein Eintauchen aus der Realität in die Welt Stotts. Langsam baut sich dieser Drone auf, fast zehn Minuten ist das Album alt, bis in „Violence“ der erste Beat einsetzt. Dieser spärliche Track bricht erst nach sechs Minuten richtig aus und liefert so spät die Begründung für seinen Titel. „On Oath“ ist ein gebrochener, sphärischer, aber sehr kühl und trocken gehaltener Popsong, es folgt „Science & Industry“, ein Track ohne Gesang, melancholische Gefühle, die über einen hektischen Beat wabern. Drei für sich stehende, relativ distinkte Tracks markieren die erste Hälfte das Albums – und mit „No Surrender“ folgt ein Umbruch.

Das Stück ist ein aufwühlender analoger Jam, nach langem Aufbau geprägt von toughen Rhythmen. „How It Was“ brezelt vergleichsweise richtig los, ebenso wie „Damage“. Letzteres erinnert an RZAs großartigen Ghost Dog-Soundtrack, jedoch mit mehr Wumms. Der Track hat als nahezu einziger Singlecharakter im elektronischen Bereich. Der Titeltrack „Faith In Strangers“ ist der vielleicht schönste und offenste der Platte, ein wahrer Gänsehautsong. Wundervolle Harmonien, wie gemalt in einen schwelgenden Beat, langsam baut das Stück sich über eine markante Basslinie auf bis hin zu Skidmores engelsgleichem Gesang.

Der Titel ist programmatisch für die Platte, denn das muss der Hörer mitbringen: Leidenschaft am Fremden, am Neuartigen. Stotts Musik ist innovativ, rührt dabei aber gleichzeitig an altbekannten Elementen. „Faith In Strangers“ mag im Ganzen betrachtet durch mehrere Brüche etwas chaotisch wirken; die Ideen zu vereinen, der rote Faden, das gelang 2012 noch besser. Aber im Detail sind die Tracks auch hier für sich großartig genug, um im Gesamtbild eine weitere sehr gute Platte abzugeben.

Daniel Waldhuber

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