Rezension

Anaïs Mitchell

Young Man In America


Highlights: Young Man In America // Coming Down // Dyin' Day // He Did // Ships
Genre: Folk
Sounds Like: Joanna Newsom // Laura Gibson // Melaena Cadiz // Alela Diane // Mariee Sioux // Marissa Nadler

VÖ: 17.02.2012

Eigentlich sollte man denken, es sei so langsam alles gesagt. All die Folkmusikerinnen, die sich in den letzten Jahren im Rahmen des erneuten Folk-Revivals einen Namen machten, all die Alben, die sie inzwischen veröffentlichten – doch irgendwie ist das alles immer noch verdammt interessant und hörenswert. Laura Gibson lieferte mit „La Grande“ ein wunderbares neues Album ab, Liz Green konnte mit ihrem langersehnten Debütalbum alle Erwartungen erfüllen – und auch Anaïs Mitchells neues Werk ist ein ausgezeichnetes Stück Musik. „Young Man In America“ ist die Antwort auf die Frage, wie es nach einem Mammutwerk wie ihrem 2010er Album „Hadestown“, diesem opulenten, episch angelegten Album über die Orpheussage, weitergehen soll.

Das fünfte Album der Musikerin aus Vermont versucht gar nicht erst, in die Fußstapfen des Vorgängers zu treten, sondern bewegt sich elegant und leichtfüßig auf abgelegenen Seitenpfaden. Die Arrangements sind kompakter, aber nicht weniger vielfältig. Dafür ist die Geschichte, die Anaïs Mitchell uns diesmal zu erzählen hat, etwas loser strukturiert. Die Geschichte des jungen Mannes auf seiner Reise durch Amerika und der Personen, denen er unterwegs begegnet, handelt von menschlichen Grundbedürfnissen, von Familie, dem Schmerz der Einsamkeit, unerfüllten Wünschen und Sehnsüchten. Sie handelt von so vielen gewichtigen Dingen, doch Anaïs Mitchell schafft es, sie in wenige einfache Worte zu fassen, die nicht selten einen sehr archaischen Charakter haben. Da sich Mitchell hier mit Themen befasst, die wohl nie an Bedeutung verlieren werden, kann man in ihren Texten aktuelle Bezüge oder in ihr die klassische Storytellerin von Geschichten längst vergangener Zeiten sehen. Anaïs Mitchell pflegt die Folk-Tradition, und dennoch hat ihre Musik einen alles andere als angestaubten Klangcharakter.

Der altbekannte Fundus vorwiegend akustischer Instrumente, auf den sie hier zurückgreift, mag nicht überraschen. Interessant wird diese Musik vor allem durch den geschickten Einsatz der Instrumente zur Phrasierung und der Untermalung ihrer Texte. Doch selbst die raffinierteste Instrumentierung kann Schwächen im Songwriting nicht verbergen. Diese wird man aber auf „Young Man In America“ nicht finden, einem Album, auf dem alles so selbstverständlich ineinandergreift und zusammenpasst, auf dem trotz Mitchells ambitionierter Arbeit alles so leicht und dynamisch klingt, so elegant und so herzlich, dass man jetzt schon weiß, dass dieses Album einen noch lange Zeit begleiten wird.

Kilian Braungart

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