Rezension
Amanda Palmer & The Grand Theft Orchestra
Theatre Is Evil
Highlights: Do It With A Rockstar // Want It Back // The Bed Song // Berlin
Genre: Art-Pop
Sounds Like: Regina Spektor // Dresden Dolls // Mikelangelo // Fiona Apple // The World/Inferno Friendship Society
VÖ: 07.09.2012
Selten erlebt man Momente, die man in der Zukunft mal als Meilenstein von irgendetwas bezeichnen könnte – aber 2012 ist das Jahr des ersten komplett durch Crowdfunding finanzierten Albums. Damit nicht genug: Wo eigentlich „nur“ um 100.000$ gebeten wurde, kam immerhin knapp das Zwölffache zusammen. Und wenn es jemanden gibt, dem man zutraut, eine knappe Million Dollar noch effektiv zu verbraten, dann ja wohl: Amanda fuckin' Palmer.
Die paar Pfennig extra konnte schon erahnen, wer das tolle Stop-Motion-Video zu „Want It Back“ gesehen hatte; wo sich der unverhoffte Geldregen weiterhin sofort bemerkbar macht, ist witzigerweise gleich der einzige Song, auf dem Amanda komplett in den Hintergrund tritt: auf der „Grand Theft Intermission“ nämlich, die nicht nur klingt, als wurden hier Get Well Soon arrangiert, um ein Interlude zu komponieren, sondern mal wieder unterstreicht, dass alles, was Amanda Palmer macht, genauso sehr als wildgewordenes Vaudeville-Revival wie als herkömmliches Pop- beziehungsweise Songwriteralbum verstanden werden muss. Der letzte eindeutig identifizierbare Kostenpunkt schließlich: „Melody Dean“ – da müssen für diesen frechen „My Sharona“-Diebstahl eigentlich der eine oder andere Taler an The Knack geflossen sein.
Wofür Frau Palmer jedoch nach wie vor – Achtung, Wortspielkasse – unbezahlbar bleibt, ist, wie sehr sie zwischen den Polen zarter Zerbrechlichkeit und geradezu aggressiver Energie hin- und her wechseln und in beiden vollkommen zuhause sein kann. Wer sie beispielsweise durch einen Song wie „Do It With A Rockstar“ kennenlernen würde, der eigentlich im Wikipedia-Eintrag zu "Empowerment" verlinkt sein müsste, könnte möglicherweise kaum glauben, dass ein und dieselbe Frau in „The Bed Song“ die vielleicht traurigste Geschichte über eine langsam zerbrechende Beziehung singen kann, die in den letzten Jahren geschrieben wurde.
Eigentlich sollte man ja meinen, dass dieser Spagat reichen würde, um lebenslang fantastische Alben darauf aufzubauen – doch verwässert Amanda Palmer diese Begabung hier leider manchmal durch ein paar Experimente, die zumindest sehr gewöhnungsbedürftig sind. Wo die Busladung Streicher in „Trout Heart Replica“ wohl einfach mal fällig war, stürzt sich „Bottomfeeder“ kopfüber in die Synthesizerhölle und ist dennoch nicht einmal der Song, der am meisten nach den 80ern klingt (diese Dornenkrone ginge an „Grown Man Cry“). Diese Songs täuschen aber nicht darüber hinweg, was man an Amanda Palmer hat – eine der interessantesten Songwriterinnen unserer Zeit, deren nächste Platten dann mindestens mit achtstelligen Summen gesponsort werden sollten. Also – schon mal sparen für den nächsten Aufruf.
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