Rezension

Alloy Mental
We Have Control
Highlights: God Is Green // Stick It In Your Neck // We Have Control // Gotta Love // Fortunate One
Genre: Alternative Technorock
Sounds Like: The Faint // Underworld // Depeche Mode // At the Drive-In
VÖ: 19.09.2008

Techno plus Indie, Electro plus Rock. Solche Beschreibungen stellen heute wahrlich keine musikalischen Neuerungen mehr dar. Zu sagen, der EBM der 80er habe den Anfang gemacht, wäre populär, doch verschlösse es die Augen vor den elektronischen Pionieren. Spätestens in den 90ern machte Big Beat die forschesten Schritte und nahezu gleichzeitig wagte nicht nur Phillip Boa einige weniger nahe liegende Ideen. The Faint schufen dann über drei Alben so etwas wie den qualitativ hochwertigen Masterplan und erst kürzlich gaben Hadouken!, Pendulum, Enter Shikari oder The Klaxons ihre ravigen, gebrochen geschlagenen oder einfach nur britischen Interpretationen zum Besten.
Alloy Mental übertreffen die vier letztgenannten locker und erreichen The Faint nur knapp nicht. Gitarre, Keyboard, Gesang, das klingt nach einer Abwandlung von Keane oder auch Depeche Mode. Ersteres ist Quark, letzteres erweitert die Referenzen zutreffend, hilft aber nicht, „We Have Control“ als Ganzes zu beschreiben.
Rockstrukturen technoid umgesetzt, Technosongs, die rocken. „Alloy Mental“ und „God Is Green“ eröffnen das Debüt und (i) sorgen für sofortige Ekstase, (ii) vernichten jede Bereitschaft zu ernsthafter Kritik und (iii) stellen doch klar: Wenn jemand im Bezug auf Alloy Mental von Revolution oder Erneuerung reden sollte, ist das relativ zu bisherigen Hörgewohnheiten. The Faint haben diese Art des Songwritings perfektioniert und den Reiz von „We Have Control“ macht somit vor allem aus, diese Vorlagen mit anderen Mitteln und frischen Ideen umgesetzt zu hören. „I Am“ schließt sich der Eröffnung logisch an, nimmt jedoch das Tempo etwas heraus und bezieht sich mehr auf die 80er. Danach gibt „So Silent“ dann endgültig den Wave-Electro-Stomper, in dem Sänger Martin Corrigan sich zudem die Seele aus dem Leib schreit.
Momente zum Durchatmen sind rar. „People Are Strange“ gehört dazu. In diesen ruhigen Phasen offenbart sich besonderes die Verwandtschaft zu Wave und 80er EBM. Ebenso betonen sie die Qualität des Songwritings von Technoproduzent Phil Kieran, Songwriter Martin Corrigan und Gitarrist Denny Todd. Hypnotisch-düster Polterndes („Stick It In Your Neck“) wechselt im Folgenden mit minimal Rockendem („We Have Control“). Letzteres zwingt zur Erwähnung eines weiteren Einflusses, der bereits in „So Silent“ durchschlug: Underworld. „Gotta Love“ hingegen betont wieder den Depeche-Mode-Anteil, fügt jedoch eine schreiende Portion AtDI hinzu.
Natürlich präsentiert ein solches Abarbeiten an Songs zu vorderst die Ratlosigkeit des Rezensenten, bzw. seinen Unwillen, mehr zu sagen als „ist toll“. Wobei „Toll“ eben heißt: The Faint haben endlich gleichwertige Brüder im Geiste bekommen, oder: Pixies, Underworld, DM und At the Drive-In in einen Topf zu schmeißen, muss zwar nicht, kann aber – wie hier – zu guter Musik führen. Wenn sich dann mit dem meditativ über 6 Minuten dahin wälzenden „Seconds“ und dem grandios rockendem und bouncendem „Fortunate One“ zwei echte Höhepunkte ganz zum Schluss erst zeigen, bleibt die Lade unten und der Finger drückt auf Repeat.
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