Rezension

Aereogramme

My Heart Has A Wish That You Would Not Go


Highlights: Exits // Nightmares // The Running Man
Genre: Progressive Rock
Sounds Like: Mew // Muse // My Bloody Valentine

VÖ: 09.02.2007

Manchmal frage ich mich, ob die Giftzettel, die Plattenfirmen oder Promotionagenturen Medienvertretern zur Verfügung stellen, nicht auch den Platten beigelegt und vorher schon öffentlich auf allen relevanten Seiten im Netz gepostet werden sollten. Es würde die Diskussionen im Vorhinein – insbesondere nach einem Leak oder nach einer transatlantischen oder transkontinentalen Veröffentlichung – in andere Bahnen lenken. Andererseits, wen interessiert, ob eine Band – in diesem Fall Aereogramme – ein Breitwand-Album, ein Film-Album machen wollte. Entweder ich höre das, oder ich höre das nicht, und wenn ich die cineastische Leidenschaft der Musiker nicht teile, bin ich so oder so aufgeschmissen, wenn ihnen das Album so gelungen ist, wie sie es intendierten … und es ist den drei Herren mit „My Heart Has A Wish That You Would Not Go“ definitiv geglückt.

Nicht, dass nicht auch zum Beispiel „Sleep and Release“ von „Indiscretion #243“ beginnend, über „No Really, Everything’s Fine“, bis „-“, Soundlandschaften umfasste, die vom Thriller bis zur Science-Fiction-Lovestory vieles hätten untermalen, ummanteln, vertiefen können. Allerdings galt hier offenbar die Aufmerksamkeit mehr den Soundscapes an sich, als der zu erzählenden Geschichte. Alles geschah in einem „Mogwai“igen Prog-Kontext, der zwischen folkloristischen, Emo und metallischen Elementen einen Bastard erzeugte, der Dich in die tiefsten Tiefen Deiner Seele blicken ließ.

Auf „My Heart…“ nun ist alles ein wenig bombastischer, pathetischer, kitschiger und das auf eine gute Art und Weise. Wenn „Der mit dem Wolf tanzt“ mit „Der Exorzist“ ins Bett geht und dabei gute Musiker zuschauen und -hören, kommt wohl so etwas heraus. Wobei die Bezüge im Giftzettel eher achtziger Jahre Science Fiction oder Anne Rice’sche Vampir-Szenarien sowie „Der Exorzist“ sind. Andere Referenzen reichen von Muse bis My Bloody Valentine und umfassen alles, was sich daneben noch tummelt.

Besonders eindrucksvoll zeigt sich der Bombast der Produktion in „Finding A Light“. Aus leicht dahin flackernden Percussions erhebt sich Gesang, bevor sich die ganze Kraft einer progressiven Hymne durchringt, um all den Schmerz der filmisch erzählten Welt und all die Gefühle, die sich aufstauen, loszulassen. Aber auch „A Life Worth Living“, „Nightmares“ und „The Running Man“ lassen einen ganz verschwinden im Leben anderer, fiktiver Gestalten.

Bemängelt werden mag: Auf keinem Track bricht sich die (wütende) Energie Bahn, die Aereogramme durchaus bisher ausmachte. So ist vielen sicherlich schon der erste Song „Conscious Life“ zu viel Pathos. Lässt der Hörer sich jedoch erst einmal darauf ein, ziehen einen Gesang und Instrumentierung in eine emotionale Abwärtsspirale, die zu verlassen, schwer fällt.

All das muss man nicht mögen. Das kann alles zu viel sein, das mag übertrieben wirken und einfach zu kitschig, zu viel Streicher, einfach nur bäh. Andererseits jedoch ermöglichen die vielseitigen Arrangements, die Schichtungen und Windungen der Musik es einem, sich in diesem Album zu verlieren, darin aufzugehen, und eine eigene imaginierte Geschichte nachzuvollziehen. Und was will man mehr?

Oliver Bothe

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