Konzertbericht
We Were Promised Jetpacks
Da fährt man voller Vorfreude zum Konzert einer guten Band, ist mit einem hübschen Mädel verabredet und alles könnte so perfekt sein. Doch dann, ein Gedanke: „Fuck, ich hab den Gehörschutz vergessen.“ Was tun, wenn man keine Lust auf ein tagelanges Piepen im Ohr hat?
Umdrehen geht nicht, also schnell den Kumpel angerufen: „Ja, also, kannst du mal eben gucken, ob's da ne Drogerie im Hauptbahnhof gibt, die noch geöffnet hat?“ Nach kurzer Internetrecherche gibt dieser grünes Licht. Am Hauptbahnhof dann in Rekordzeit gefühlte siebzehn Rolltreppen bis zum Ziel zurückgelegt und sich eine Packung Oropax gesichert. Nach insgesamt acht Minuten dann wieder in der S-Bahn, durchgeschwitzt zwar, aber guter Dinge.
Es sind zwar nicht Slayer und Machine Head, die an diesem Abend spielen, aber bereits das Intro in Front der riesigen Boxentürme des Lido zeigt, dass sich diese Anstrengung gelohnt hat: Minutenlang ertönen kryptische Nummernfolgen des Tracks „A Half Built House“ zu Beginn des Konzerts von We Were Promised Jetpacks, in ohrenbetäubender Lautstärke. Beschwörend gestaltet sich der Auftakt des Abends in Abwesenheit der Band. Die steigt mit krachenden Gitarren in „Keeping Warm“ ein. Sänger Adam Thompson macht von Anfang an klar, dass für ihn ein Konzert auch ein physisches Erlebnis ist. Bereits nach den ersten Minuten tropft ihm der Schweiß von der Stirn, das Publikum tanzt derweil zur ersten Single „Quiet Little Voices“. Thompson singt zwischenzeitlich nicht in das Mikro, sondern schreit seine Verse direkt in das sehr gut gefüllte Lido. Seine Stimme klingt dabei erstaunlicherweise weniger gebrochen als auf Platte. Rund 500 Musikbegeisterte wohnen dem dritten Berlin-Konzert der Band bei, nachdem die Schotten zuletzt im September im Bang Bang Club gastiert hatten - die Mehrheit von ihnen v
erzichtet auf den Gehörschutz und mich quält die Frage: „Mein Gott, wie machen die das?“ Gut, der ältere Herr direkt vor der Box dürfte eh kaum noch etwas hören, außerdem scheint er zum Inventar zu gehören. Fairerweise muss man sagen, dass We Were Promised Jetpacks keine brachiale Musik machen, vielmehr ist es eine Mischung aus lauten und tanzbaren Elementen à la Joy Division und den besinnlichen wie melodiösen Passagen, die so charakteristisch für die aktuelle schottische Musikszene ist. Das Repertoire der Band hat sich seit dem letzten Auftritt im Herbst nur um eine EP erweitert und so stehen auch an diesem Samstagabend die Songs des Debüt-Albums "These Four Walls" im Fokus.
Weiterhin fokussiert ist auch Sänger Adam. Nach dem artigen Dank an das Publikum für's Kommen und der grinsenden Ankündigung „This is our second single. It's called 'Roll Up Your Sleeves' and it went absolutely nowhere.“ widmet er sich wieder inbrünstig Gitarre und Gesang. Während der zweite Gitarrist Michael Palmer, der ab und an für die charakteristischen Xylophon-Klänge sorgt, zusammen mit Bassist Sean Smith eher die ruhigere Abteilung der Band bildet, haut Schlagzeuger Darren Lackie kraftvoll in seine Drums: Bass Drum und Snare scheinen einen persönlichen Wettstreit auszutragen - so auch in „A Far Cry“, dem einzigen neuen Song des Abends, der sich gut in die Setlist einfügt. Gleiches gilt auch für „It's Thunder And It's Lightning“, welches ein wohlwollendes Lächeln auf die Lippen der weiblichen Begleitung zaubert. Es (das Lied, nicht das Lächeln) vereint in perfekter Weise die melodiösen Stärken und die kraftvolle Art von We Were Promised Jetpacks. „Short Bursts“ und „Moving Clocks Run Slow“ lassen sich eher wieder den tanzbaren Nummern zuschreiben und kommen im gesamten Publikum sehr gut an.
Als Darren schließlich auf eine Facebook-Gruppe verweist, deren Ziel es gewesen sei, mit einer gewissen Anzahl an Mitgliedern für eine Zugabe zu sorgen, bemerkt er trocken, dass die Gruppe lediglich 14 Mitglieder habe, wovon Bassist Sean eines sei. Eine Zugabe gibt es schließlich tatsächlich nicht, aber dies dürfte eher am kraftraubenden Auftritt oder aber einer leichten technischen Störung liegen, die während des letzten Songs des Abends eintritt. Inklusive der guten Vorband Dupec liegen am Ende dann auch knappe zwei schweißtreibende Stunden hinter allen Beteiligten. Abschließend darf der Gehörschutz im Müll verschwinden und in diesem Moment lässt sich sagen: wirklich ein gelungener Abend.