Konzertbericht

Washed Out


Als Einmann-Projekt von Earnest Greene mit seinem Laptop gestartet, hat sich Washed Out mittlerweile zu einer ausgewachsenen Band entwickelt. Und das ganz ohne Lehrgeld zahlen zu müssen, wie das neue Album "Paracosm" diesen Sommer bewies. Nicht nur in den eigenen vier Wänden, sondern auch im Konzertsaal.

Der Rahmen stimmt: eine besser geeignete Location für ein Konzert von Washed Out als das Zoom in Frankfurt könnte man sich eigentlich kaum vorstellen – wenn der Laden voll ist. Durch die abgesenkte kleine Tanzfläche vor einer breiten Empore bietet sich vielen Besuchern die Möglichkeit, den entspannten Klängen der Gruppe um Frontmann Earnest Greene bei ordentlicher Sicht aus dem Hintergrund zu lauschen. Zu Beginn verteilen sich die ohnehin nicht zahlreichen Anwesenden noch in der verwinkelten Location, was dazu führt, dass Vorband Amateur Best – Joe Flory aus London, der klingt wie eine Mischung aus Baths und Twin Shadow – seine Show vor ganzen fünf Zuschauern beginnen muss. Das ist der großartigen Performance des sympathischen Briten aber mehr als unwürdig, weshalb sich sein Publikum innerhalb der 40 Minuten Spielzeit immerhin verzehnfacht.

Doch auch als Washed Out wenig später ihren Gig beginnen, ist die Zuschauerzahl eher enttäuschend. Mehr als geschätzte 120 Personen finden sich an diesem Abend nicht im Zoom ein, worin die Gründe dafür liegen, darüber kann man nur spekulieren. Eröffnet wird das Set mit "It All Feels Right", gleichsam der Opener des kürzlich erschienenen "Paracosm". Das war abzusehen und ist auch genau die richtige Wahl, um das Publikum in einen Zustand entspannter Glückseligkeit zu versetzen und später mit einem breiten Grinsen im Gesicht wieder nach Hause gehen zu lassen. Die Setlist umfasst einen guten Mix aus allen Veröffentlichungen, mit überraschend hohem Gewicht auf der Debüt-EP "Life of Leisure", von der mehr als die Hälfte der Songs gespielt wird. Und zwar zum Großteil in neuer Liveband-Adaption, da nur "Paracosm" vollständig mit "echten" Instrumenten aufgenommen wurde, und eher dem Dreampop-Genre anstatt Chillwave oder anderem Elektronischen zuzuordnen ist. So hat Washed Out eigentlich einen abwechslungsreichen Mix im Repertoire, dem live aber ein spürbar einheitlicherer Anstrich verpasst wird. Auf diese Art und Weise nimmt sich Washed Out leider selbst ein bisschen den Wind aus den Segeln, anstatt die volle Bandbesetzung zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen. Denn Songs, die auf Platte völlig unterschiedlich klingen, ähneln sich auf einmal so stark, dass man sie manchmal erst bei genauerem Hinhören wiedererkennt.

Trotzdem: dem Publikum macht das nichts aus, die überschaubare Menge, die da ist, lässt sich von der sommerlichen Stimmung, die Washed Outs Musik verbreitet, anstecken und geht gut mit, und auch Frontmann Earnest Greene scheint äußerst gut gelaunt und versucht ab und zu, die Zuhörer zu animieren. Allerdings wirken bis auf ihn und den Gitarristen alle anderen Protagonisten auf der Bühne völlig teilnahmslos und spielen solide ihren Stiefel herunter, ohne dass man ihnen ansieht, das Hobby zum (zumindest temporären) Beruf gemacht zu haben. Als dann zuerst "Amor Fati" das reguläre Set und wenig später "Eyes Be Closed" die Zugaben beschließen, bleibt insgesamt ein positiver Gesamteindruck zurück. Stress in der Arbeit oder im Privatleben? Auch ohne die beiden Highlights "Before" und "A Dedication" schaffen Washed Out genau die richtige Atmosphäre für den versöhnlichen Ausklang eines Donnerstagabends.

Johannes Neuhauser