Konzertbericht

The Fiery Furnaces


Es gibt Bands, bei denen es keinen hörbaren Unterschied macht, ob man sie gerade live sieht, oder ob man ihre Platte aufgelegt hat. Phänomen Mini-Playback-Show (plus vernünftiger Gesang). Es gibt aber auch eine Band, die nichts damit am Hut hat. Hierbei handelt es sich um das Geschwisterpaar Friedberger aka The Fiery Furnaces. Niemand hätte den New Pornographers vorgeworfen, im Konzert eine schlechte Kopie ihrer selbst auf Tonträger zu sein, doch beim Auftritt der Fiery Furnaces erlangte die Redewendung "sich selbst neu erfinden" eine völlig andere Bedeutung.

Sowohl Veranstalter als auch Zuschauer waren allerdings erstmal auf eine Frage gestellt: Wer sollte denn nun anfangen? Zwei Bands, etwa gleich bekannt (Vorteil New Pornographers), die eigentlich unabhängig voneinander durch Europa touren, treffen sich erfreulicherweise in Köln, um zusammen einen fantastischen Konzertabend zu gestalten. Ja, und dann? Vielleicht haben Matthew Friedberger und A.C. Newman backstage gewürfelt oder Schere-Stein-Papier gespielt. Jedenfalls begannen gegen neun Uhr die New Pornographers. Allerdings fehlten zwei Musiker, die bisher regelmäßig eindrucksvolle Gastrollen auf den Platten übernommen hatten. Zum einen vermisste man zu Beginn die Frau mit der wunderbaren Stimme, Neko Case, die an jenem Abend in Schweden ihre Soloplatte vorstellte. Entschuldigt. Zum anderen Dan Bejar, den man auch von seiner Band Destroyer kennt, und der sich wohl zu Hause einen lauen Lenz gemacht hat. Nachher beschwert er sich dann wieder, wenn im Zeugnis was von unentschuldigten Fehltagen steht. Aber das Konzert war ja auch ohne ihn sehr gut.

Newman und Freunde spielten natürlich trotzdem Songs, bei denen Neko und Dan normalerweise beteiligt sind, und sie machten ihre Sache gut, richtig gut sogar. Die Auswahl der Stücke war angenehm abwechslungsreich, von allen drei Alben waren die schönsten Songs dabei. Ob nun "The Laws Have Changed" mit der tollen Keyboard-Melodie, "The Bleeding Heart Show" mit dem live besonders herzergreifenden Finale oder als letzte Zugabe das herrliche "Letter From An Occupant" - man vergaß schnell, dass die Band eigentlich nicht komplett war.

Mehr als komplett hingegen waren die Fiery Furnaces, die auf der Bühne vom Duo zum Quartett wurden. Die zwei Geschwister, die Gitarre spielten, wurden nämlich von einem Schlagzeuger und einem Bassisten unterstützt. Und wie! Der auf Platte elektronisch angehauchte Indie-Pop wurde komplett über den Haufen geworfen, und die Songs wurden auf das Wichtigste reduziert. Da stand man erstmal mit offenem Mund da. Das war nicht frech, sondern einfach nur großartig, wie Matthew die Synthie-Melodien mit seiner Gitarre umsetzte. Das aktuelle Album "Bitter Tea" wurde ebenso gewürdigt wie ihr Meisterwerk "Blueberry Boat" und das Debüt, dessen Songs noch am ehesten den ursprünglichen Versionen entsprachen. Selbst das letztjährige Missgeschick "Rehearsing My Choir" fand an diesem Abend in Form eines Pseudo-Medleys eine geniale Umsetzung. Und dass Matthew die Zugabe in seiner Regenjacke spielte, das war so wie Larry Bird damals, der den 3-Point-Shootout beim All-Star-Weekened 198? im Trainingsanzug gewann... Was bleibt abschließend zu sagen? Mal wieder war das Gebäude 9 Schauplatz eines umwerfenden Konzertes, und wer nicht da war, hat was verpasst.

Mario Kißler