Konzertbericht

Isis


Wir kennen das: Irgendwann treibt die progressive Weiterentwicklung einer Band unvermeidlich einen Keil zwischen ihre Anhänger. So entstehen dann alte und neue Lager. Beispiele sind: Incubus, Muse, oder die Kings Of Leon. Und Isis? Von überall her schallt's, dass deren aktuelles Opus "Wavering Radiant" stagnationsbedingt gar das schwarze Schaf ihrer Diskographie sei. Wer so denkt, dem bleiben als Strohhalm nur Isis' intensive Liveshows.

Sich tatsächlich an diese zu klammern, birgt allerdings die Gefahr, abzusaufen. Denn warum sollten sich Genrekönige wie Isis tatsächlich der öffentlichen Meinung beugen, wenn es genau diese Attitüde war, die sie letztlich sogar Mike Patton überzeugen ließ? Im Grünspan verwunderte es also kaum, dass vielen Anhängern der Band der pure Minimalismus des Supports Mamiffer (mit Isis' Sänger Aaron Turner an der Gitarre) wenig zusagte. Dabei führte das Trio mit massivem Klaviereinsatz und subtiler Sphärengitarre auf eine schwerelose Ebene, die scheinbar rhythmuslos im Raum schwebte und in seiner Erhabenheit hervorragend zum Hauptact passte.

Wenig überraschend begannen Isis dann mit "Hall Of The Dead". Aber warum auch nicht? Dessen raffiniertes wie hartes 5/4-Riff macht nämlich sofort klar: wer mitwippen will, soll doch auf den nächsten Club der Reeperbahn wechseln. Mächtig, fast schon zu mächtig dröhnen die Gitarren in den ersten Songs. An sich kein Problem, wenn Isis nicht mit Jeff Caxide einen der aufregendsten Bassisten zeitgenössischer Rockmusik zu bieten hätten. Dessen effektverliebter Sound wird meist geschluckt – und das resultiert in einem Sound, der den ganz schroffen Isis zur Zeit ihrer Gründung besser gestanden hätte als ihrem heutigen, filigraneren Pendant. Nur gut, dass eingehend mit dem dritten Song "Holy Tears" Soundprobleme passé sind.

Und tatsächlich: Die Band meidet frühes Material; ins reguläre Set schafft es gar nur "Wills Dissolve" von "Panopticon". Aber mal ganz ehrlich und ohne das Versteifen auf ungerechtfertigt auferlegte Ansprüche: Merkt man das wirklich? Führt nicht gerade "Wavering Radiant" in seiner Live-Darbietung hervorragend alte und neue Versatzstücke des Isis-Sounds am gelungensten zusammen? Im Grünspan jedenfalls verschmolzen die einzelnen Teile der Setlist zu einem mächtigen Sog, gipfelnd in den zwei Zugaben "Carry" und dem unglaublichen "Altered Course".

Und doch versank das Publikum diesmal nicht im Sound. Es konnte sich nicht "einklinken" (wie die Band es gerne nennt). Schuld der Musiker war's nicht, denn die waren mit Herzblut dabei. Liegt's daran, dass man sich vielleicht doch nicht so viele Gedanken machen sollte, wie es mit diesen Fünf weitergeht? Liegt's vielleicht daran, dass man bei all dem Argumentieren zum Überzeugen der Gegenseite überhaupt erst den Blick für's Wesentliche verloren hat? Oh ja, lieber Leser: das kennen wir nun wirklich.

Gordon Barnard