Konzertbericht
Diego
Die erste halbe Stunde nach dem Eintreffen wird draußen verbracht, da einer der Begleitenden Raucher ist. In Gedanken setzt sich zunächst die Überzeugung durch, dass dieser Club endlich das Rauchverbot umsetzt und so für nicht ganz so stickige Luft im Innenraum sorgt. Der ist nämlich sehr klein, stickig, dunkel und ohne wirkliche Abluftmöglichkeit versehen. Eigens für die Raucher wurde also im Innenhof ein nettes Interieur geschaffen, bestehend aus einem heizstrahlergewärmten Zelt. Nichtraucherzeichen überall innerhalb des Clubs weisen auf eben jenes Verbot hin. Wie viel davon allerdings selbst eingehalten wird, zeigt sich später noch. Zunächst einmal jedoch spielen NIAS, eine Band, die so irgendwie gern auf diesen hippen Indie-Elektro-Pop-Rock-Zug aufspringen würde, der derzeit in allen angesagten Städten halt macht. NIAS beherrschen ihre Instrumente, das war es dann aber auch. Schon bitter, wenn eine Band es nicht einmal schafft, überhaupt zu einer Wertung hinzureißen, weder gut noch schlecht sind sie - es ist schlichtweg öde und langweilig.
Nach drei Songs winkt die Verlockung des Nebenraumes, wo ein DJ die Musik spielt, die NIAS gern spielen würden. Der DJ wirkt ziemlich fertig, hat die besten Zeiten lang hinter sich und dennoch das Denken behalten, mit Kippe und Bierbauch am Mischpult auch mit Ende 30, Mitte 40 noch den Macker raushängen lassen zu können. Auf der Tanzfläche Indiemädchen (Ausweis zum Reinkommen garantiert von der großen Schwester geklaut) und magersüchtige Pete-Doherty-Verschnitte sowie jegliches Klischee erfüllende Modemenschen. Stilecht im scheinbar vorherrschenden In-Look des Jahres gekleidet - karierte Hemden plus überdimensionale Hornbrille oder auch mal weiße Muskelshirts und weit herunterhängende Baggiepants. Hätte ich meine Kindersachen bis Mitte der neunziger aufgehoben und würden sie mir passen - ich wäre wohl einer der angesagtesten Menschen derzeit. Bin ich aber nicht.
NIAS haben endlich ihr Set beendet und so ist die Bühne frei für den Grund des abendlichen Erscheinens: Diego. Diego imitieren musikalisch eins zu eins Joy Division, Editors und Interpol, was nicht unbedingt schlecht ist, auch uneigenständige Musik kann gut gemacht toll sein. Leider verlieren Diego vor lauter Reproduktion den Bezug zur Musik und wirken wie ein zehnmalig hintereinander kopierter Text: Die Konturen verschwimmen immer mehr, bis nur noch farblose Blässe zurückbleibt. Hinzu kommt noch, dass der Sänger der Band meint, er müsse zeigen, welchen Platz er bei einem Ian-Curtis-Tanzstil-Ähnlichkeitswettbewerb belegen würde (1.). Der miese Sound trägt sein übriges dazu bei.
Man hat also Zeit, sich einmal im Raum umzuschauen und auch hier bietet sich ein Bild des Unbehagens: Der durch die natürlichen Gegebenheiten schon sehr dunkle "Saal", eher Schlauch, ist nochmals mit schweren schwarzen Stoffvorhängen abgedunkelt, neben denen einige Besucher zeigen, warum Rauchverbot und Brandschutzvorschriften eigentlich eine tolle Sache sind: Bei der kleinsten falsch weggeworfenen Zigarette würde wohl niemand wirklich schadensfrei aus dem Club kommen, auch die allseits bekannten beleuchteten grünen Notausgangsschilder sind nicht auszumachen. Rätselhaft, wie ein ziemlich angesagter Club mitten im Berliner Szenebezirk derartig schlecht ausgestattet sein kann und dafür auch noch eine Lizenz bekommt. Zeit also zu gehen, zumal Diego gerade Bühnenansagen über den Karlsruher SC von sich geben und blöd herumalbern. Wenn Ian Curtis das wüsste.