Konzertbericht

Black Mountain


Selten passiert's, aber ab und an, da passen Location und Band einfach wie Arsch auf Eimer. Also so wie Rage Against The Machine auf Autonomendemo oder Napalm Death auf einem Friedhof. Wo das (zum Glück) alles fiktiv bleibt, geben sich Black Mountain in Köln tatsächlich die Ehre im Gebäude 9, dieser spröden, abgeschiedenen Industriehalle hinter dem Kölner Messegelände.

Nicht, dass Black Mountain jetzt spröde wirken würden. Diese Künstlerkommune aus Kanada setzt sich vielmehr aufs Ross der Zeit und brettert im Rückwertsgang dorthin, wo Konzeptalben zum guten Ton und halluzinogene Drogen zum Musikmachen dazu gehörten: Prog und Psychedelia, 60er und 70er. Und genau da bietet das Gebäude 9 mit seiner zeitlosen Kulisse die Gelegenheit, mal so zu tun, als hätten die letzten 40 Jahre Musikgeschichte nie stattgefunden.

Der Bass brummt los und Black Mountain werfen die “Rollercoaster” an – das Ding muss aus Blei sein, so behäbig kriecht es voran. Es grummelt im Magen, der Typ vorn im Kyuss-Shirt trägt ein Grinsen übers gesamte Antlitz, die Menge wird zur Kopfnickergemeinde. Gedankt sei es Joshua Wells an den Fellen und Matt Camirand am Viersaiter: Die stellen ihr Können nie übertrieben zur Schau, sondern stets in den Dienst des Grooves. Weil der Rest der Bandkommunikation kaum weniger brilliant wie intuitiv gelingt, wird's ein Triumph: Dabei ist Stephen McBean der Talkmaster, seine Gitarre liefert sich geschickte Ballwechsel mit Jeremy Schmidt's hypnotischen Keyboards und Orgeln, seine Stimme harmoniert mit Amber Webbers oder lässt ihr großzügig den Vortritt. Der Sound ist glasklar, alle Rädchen greifen ineinander. So viele Eindrücke – so viel Endorphin!

Nur bei Setlist und Spieldauer können Black Mountain jetzt noch ins Klo greifen. Doch keine Chance: In der Frühphase marschiert die neue Single “Old Fangs” mit breiter Brust durch Nebelschwaden. Das mächtige “Tyrants” lässt die Blitze zunächst donnern wie Zeus, fällt in sich zusammen, bis McBean seine Gitarre zu brutalsten Gniedelsoli hochquält. Derart heftigen Giganten gehört das erste Drittel des Sets, bis der sichtlich von der neuen Platte “Wildernenss Heart” gezeichnete zweite Teil den Folk vortreten lässt. Da wechseln sie die Welt: Weniger intensiv zwar, dafür aber immer noch mit ideal ausbalanciertem Sound, gibt's kitschfreien Seelenbalsam – schön. Im letzten Drittel bäumen sie sich dann wieder auf. Mit leiernden Orgeln und besoffenen Gitarren fühlt sich die Band in “Wucan” in den Orient vor, bis das Teil gegen Ende wieder meterdicke Soundwände zusammenmauert. Und immer wieder dieser Groove. Beim meisterlich rausgejammten Abschluss “Druganaut” gesellt sich sogar noch McBeans Gitarre zur Rythmusgruppe und Black Mountain sind plötzlich im Funk. Es groovt nach hinten raus und: Schluss.

Schluss? Deine Mudda. Drei Zugaben gibt's noch: Ein weiterer massiver Kracher mit “Don't Run Our Hearts Around”, dann das rücksichtslos aufs Gas latschende “Let Spirits Ride” – der Typ im Kyuss-Shirt dürfte im siebten Himmel sein. Und dann – tatsächlich – “Bright Lights”, ein psychedelischer, sechzehnminütiger Riesenzauberwürfel. Hätten sie ewig nicht gespielt, sagt die Band. Achso, das machen die mal eben so. Da schwebt, zumindest für diesen Abend, ernsthaft eine Frage im Raum: Wer braucht eigentlich die letzten 40 Jahre Musikgeschichte?

Photo by Piper Ferguson

Gordon Barnard