Konzertbericht

12 Tònar Tour


Dass Island mehr zu bieten hat als Geysire, Gletscher und heimelige Dörfchen, zeigten in den letzten Jahren Künstler wie die Meister des musikalischen Kopfkinos von Sigur Ròs oder die extravagante Björk. Doch auch in Islands Untergrund rumort es, und so schickten die Labels 12 Tònar und Cargo Records drei Bands aufs europäische Festland und machten hierbei auch am frühlingshaften Bodensee Station.

Gerade als wir durch die Eingangstür des Kulturladens treten, beginnen Gavin Portland pünktlich ihr Set. Von sphärischen Klängen ihrer Landsmänner scheinen sie nicht viel zu halten, so geht ihr Mix aus reinstem Punkrock und Hardcore direkt nach vorne. Der Sänger schreite sich die Seele aus dem Leib und bei den wenigen Gesangspassagen stellte sich der Gitarrist ans Mikrofon. Doch im eher spärlich gefüllten Schwimmbecken des Kula hielten die schüchternen Konstanzer Konzertbesucher zunächst Abstand. Aber auch Sänger Kolli interagierte mehr mit seinen Bandkollegen und drehte dem Publikum über weite Teile des Sets den Rücken zu. Nach gerade mal einer knappen halben Stunde war es dann auch schon wieder vorbei und es wurde Platz für die folgenden Jakobinarina gemacht.

Im einheitlichen Outfit traten die sechs Musikanten auf die Bühne. Mit schmissigen Gitarren, zwei Bandmitgliedern, von denen man meinte, sie seien direkt von der Schulbank entführt worden und einem Tanzstil von Sänger Gunnar, der irgendwo zwischen Slalomübungen und Michael Jacksons Moonwalk einzuordnen war, konnten auch sie das träge Publikum nur zu leichten Tanzbewegungen motivieren, da half auch der Ausflug von Sänger und Keyboarder in die Menge nur in geringen Maßen. Und das obwohl der jakobinarinaeske New-Wave-Garagen-Gute-Laune-Rock durchaus zum Tanz einlud.

Den Abschluss des Abends bildete Pétur Ben. Von einem schier erdrückenden Basslauf begleitet betrat er die Bühne, um die Spannung mit seinem einsetzenden Gesang zu lösen. Hier war sie endlich, die herbeigesehnte musikalische Melancholie und Leidenschaft, welche immer wieder Reminiszenzen zu Jeff Buckley aufkommen ließ. Spätestens mit seiner Interpretation von Michael Jacksons "Billie Jean" war das Eis zwischen Künstler und Publikum gebrochen und ein stetiger Wechsel zwischen sanften, sphärischen Klängen, kleinen rockigeren Ausbrüchen und Akustikeinlagen nur mit Gitarre vom Bühnenrand konnte die gelangweilte Ruhe zu andächtiger Stille verwandeln. Zwischendurch wurde spontan noch ein isländisches Volkslied intoniert und am Ende bekam das Publikum noch eine Gratisgesangsstunde. Bei solch sympathischen Künstlern verfestigt sich das Vorhaben, einmal nach Island gereist sein zu müssen.

Thomas Raich