Interview

The Whip


Wir schreiben Freitag, den 18.4.2008, ein sonniger früher Abend in München. Im Atomic Café wird gerade fleißig das Equipment für das abendliche Konzert aufgebaut, während uns die Band – die britischen Newcomer von The Whip – in Person von Bassist Nathan und Dan, dem Verantwortlichen für den elektronischen Part, auf einen lockeren Plausch im Backstageraum empfangen.

Hallo und herzlich willkommen in München! Seid ihr schon länger da oder gerade erst angekommen?

Nathan: Wir sind gerade vor einer halben Stunde erst angekommen. Leider haben wir deswegen auch noch nichts von der Stadt gesehen. Wir sind mehr oder weniger die ganze Zeit im Van und sehen die meisten Städte deswegen nur durch Autofenster. Schade eigentlich...

Ja, stimmt. Das wäre außerdem auch meine nächste Frage gewesen. Nachdem ihr jetzt nicht die Gelegenheit hattet, euch die Stadt anzuschauen: Ist vorher jemand von euch schon einmal in München oder überhaupt in Deutschland gewesen?

Dan: Nein, in München war noch keiner von uns. Gut, ein paar von uns waren schon mal in Berlin und so, aber München noch nie. Oder warst du schon mal da, Nathan?

Nathan: Nein, ich war auch noch nicht da. Aber es scheint wirklich schön zu sein. Bruce (Gitarrist/Sänger, Anm. des Autors) und ich waren vorher unterwegs zu ein paar Interviewterminen bei Radiosendern, und konnten auf der Fahrt ein paar Sachen sehen. Wirklich toll, so eine saubere Stadt! München ist eine der reichsten Städte in Deutschland, stimmt das?

Möglicherweise. Ich habe jedenfalls mal gelesen, es wäre zumindest die wohlhabendste richtig große Stadt. Also, immerhin ist München ja fast doppelt so groß wie Manchester, auch wenn es wegen der ganzen Grünflächen nicht so aussieht. Aber genug über die Stadt geredet: Nathan, du hast gerade schon ein paar Termine bei Radiosendern erwähnt. Nachdem das ja eure erste Deutschlandtour ist: Wie ist generell so das Echo, das ihr von der deutschen Presse bekommt? Gibt es da schon viel Rückmeldung?

Nathan: Ja, es kommt mir irgendwie so vor, dass wir zumindest eine ganze Menge Interviews machen in letzter Zeit. Ich glaube, ein paar Radiosender hier haben mittlerweile auch angefangen, Sachen von uns zu spielen. Also, eigentlich hatten wir keine Ahnung, was uns erwarten würde, als wir in Deutschland ankamen. Wir hatten ein paar Bedenken, zu unseren Gigs würden vielleicht nicht so viele Leute kommen. Aber tatsächlich war immer überraschend viel los, zumindest in Berlin und Hamburg, wo wir vorher waren.

Ok. Nächstes Thema: Ich bin bestimmt nicht der erste, der euch das fragt, aber, nachdem ihr ja aus Manchester kommt, entwickelt man da so eine Art Lokalpatriotismus und fängt in Kindheit und Jugend zu allererst an, sich mit den ganzen berühmten Bands zu beschäftigen, die auch aus Manchester kommen? Also, wenn ich mir eure Songs so anhöre, zum Beispiel Joy Division, New Order, Happy Mondays und so weiter, oder würdet ihr sagen, dass eure Einflüsse eigentlich woanders liegen?

Dan: Nein, es ist schon so. Vieles davon spiegelt sich in der Musik wieder, die wir machen. Wir alle haben diese Musik gehört und schätzen gelernt, und ja, es sind mit Sicherheit Einflüsse vorhanden. Auf der anderen Seite war aber der Auslöser, der uns überhaupt dazu gebracht hat, elektronische, tanzbare Musik zu machen, hauptsächlich Daft Punk, würde ich sagen, beziehungsweise generell die ganze französische Elektro-Schiene. Aber wie gesagt, das Erbe der ganzen Madchester-Bands ist immer da, und tritt natürlich unterschwellig auch fortlaufend in der Musik hervor, die man schreibt.

Also hört ihr auch privat Dance Music? Denn oft ist es ja der Fall, dass Bands zwar eine gewisse Musikrichtung verfolgen, diese aber im privaten Rahmen überhaupt nicht hören, weil sie sich ja beruflich schon genug damit beschäftigen.

Dan: Wir hören auf jeden Fall auch eine Menge Dance Music. Aber genauso legen wir auch mal wieder unsere alten Fleetwod-Mac-Scheiben in den Plattenspieler. Oder Stevie Wonder und wer weiß was noch alles. Also hören wir im Grunde so ein klein bisschen von jedem. (zeigt auf Nathan und lacht) Besonders er hier zieht sich teils ziemlich kranke Scheiße rein!

Nathan: Ja, ich habe wirklich ein paar Sachen, die die anderen drei hassen.

...die da wären?

Nathan: Hmm, ich mag zum Beispiel Musik wie (überlegt) 70s Progressive Rock und solches Zeug. Aber wie Dan schon gesagt hat, bei den Musikgeschmäckern von uns vieren gibt es sicher großflächige Überschneidungen, wobei auch jeder in seine eigene Richtung geht. So decken wir eigentlich ein relativ breites Spektrum ab.

Wer von euch schreibt denn eigentlich die Songs? Macht ihr das alle vier zusammen, oder...

Dan: Nein, das machen ich und Bruce, der Sänger.

In eurem Video zu "Divebomb" ist zu sehen, wie sich verschiedene elektronische Gerätschaften eine nach der anderen einschalten, je mehr Bestandteile sich im Song aufbauen. Was ich also gerne wissen würde: Schreibt ihr eure Songs auch so, dass ihr immer mit etwas bestimmtem, etwa einem Gitarrenriff, beginnt, und euch dann nach und nach vorarbeitet?

Dan: Das hängt vom Einzelfall ab, würde ich sagen. Manchmal ist es so, dass Bruce eine Melodie im Kopf hat und dazu Lyrics aufs Papier bringt. Generell würde ich aber sagen, dass es meist am Computer anfängt, also mit dem Beat, dann werden die Keyboard-Parts eingefügt und so weiter. Wir packen erst alle möglichen Ideen in den Song rein und fangen dann an, unnötige Dinge wieder rauszunehmen.

Was ist denn eigentlich euer Lieblingssong von euch selbst?

Nathan: (überlegt länger) Hmmm, das ist schwierig. Also im Moment spiele ich besonders gerne "Blackout". Aber ich weiß nicht, oder...

Dan: Also ich muss sagen, ich liebe "Trash".

Nathan: (lacht) Ja, stimmt, das knallt ja auch ordentlich, oder?

Dan: Aber im Moment mag ich auch "Sirens" genauso.

Nathan: Ja, ich denke, man könnte da munter weiter auflisten. Ich mag eigentlich alle recht gerne, bis auf... (sieht Dan an und lacht)

Dan: Ich glaube auch, Blackout wird so immer mehr zu einem unserer Favoriten. Einfach deswegen, weil das einer der neuesten Songs im Set ist, und wir den, im Gegensatz zu einigen anderen, noch nicht seit zwei Jahren ununterbrochen spielen.

Stört es euch eigentlich, dass ihr von der Presse in diese "New Rave"-Ecke gedrängt werdet? Dabei hört sich eure Musik doch eigentlich ziemlich unterschiedlich zu dem an, was sonst noch unter diesem Namen läuft, wie zum Beispiel Hadouken! und Does It Offend You, Yeah?, mit denen ihr ja befreundet seid.

Dan: Ich denke das einzige, was dieser Begriff bezeichnet, ist, dass komplette Bands, also Drums, Gitarren, Keyboards und so weiter, Dance Music spielen, und nicht nur zwei Leute da oben stehen, die an Knöpfen rumspielen. Also haben wir eigentlich kein Problem damit, mit diesem Begriff in Verbindung gebracht zu werden. Wir haben unsere Musik ja auch schon vorher genauso gemacht, bevor wir diesen Stempel aufgedrückt bekommen haben.

Nathan: Also ich würde eigentlich sagen, dass wir alles andere als "New Rave" sind. Die Öffentlichkeit muss eben immer ein Schlagwort für alles finden, was ja auch ok ist. Aber weißt du, die Kids in England und so... New Rave sind dort eigentlich Klamotten in Neonfarben und Glowsticks, und wir kommen ganz normal in Jeans und Lederjacken auf die Bühne. Die Leute würden uns also nicht anschauen und sagen: "Oh, der ist New Rave". Wobei die Musik ja eigentlich mit Rave sowieso nichts zu tun hat (lacht).

Bevor euer Album rausgekommen ist (erscheint in Deutschland am 6.6.08, Anm. des Autors), habt ihr Singles auf vier verschiedenen Labels rausgebracht. War das Zufall oder beabsichtigt, um keinem der Labels die Chance zu geben, euch innerhalb kurzer Zeit gegen euren Willen in den Himmel zu hypen?

Dan: Nein, da steckte keine Absicht dahinter. Das war einfach der natürliche Lauf der Dinge. Wir haben die Gelegenheiten wahrgenommen, so wie sie gekommen sind. Wir hatten also eine Single released, und drei Monate später kam Kitsuné auf uns zu, und weil das zeitlich gut reinpasste, haben wir halt gesagt: "Let's do it". Es war also kein Plan vorhanden, sondern gutes Timing und Glück. Das war natürlich gut für uns, weil wir dadurch mit im UK attraktiven Namen in Verbindung gebracht wurden, wie eben Kitsuné, die als Trendsetter bekannt sind - unser erstes Label, auf dem "Frustration" erschienen ist und die sich in letzter Zeit mit den Wombats einen Namen gemacht haben - und genauso Southern Fried, mit denen wir jetzt das Album produziert haben.

Euer Album hat ja zwei mehr oder weniger verschiedene Seiten. Da gibt es zum einen die poppigeren Nummern, wie "Frustration", "Sirens" und "Dubsex", und dann die anderen, elektronischeren und zerfahreneren Songs. In welche Richtung, würdet ihr sagen, wird euer nächstes Album gehen?

Dan: Ich denke, es wird eher in die dreckigere, elektronischere Richtung gehen. Viele Ideen, die Bruce und ich im Kopf haben, die wir auf dem nächsten Album verwirklichen wollen, gehen in diese Richtung. Ich kann zwar nicht sagen, was in der Zukunft genau passieren wird, aber ausgehend davon, dass wir, wenn wir spielen, auf die tanzbarsten Songs auch das beste Feedback bekommen, glaube ich, dass wir uns verstärkt dorthin orientieren werden.

Vor kurzem habe ich ein Interview mit dir, Dan, gelesen, in dem du sagtest, dass ihr noch in euren regulären Jobs arbeitet. Allerdings war das Interview schon etwa ein Jahr alt. Wie ist das heute, habt ihr nach wie vor eure Jobs oder seid ihr mittlerweile alle Full-Time-Musiker?

Dan: Alle von uns, außer der Schlagzeugerin. Sie hat immer noch einen Teilzeitjob und muss zwischen Gigs immer mal wieder nach Manchester zurück, um zu arbeiten. Wir anderen haben nach und nach unsere alten Jobs aufgegeben, weil die Band anfing, zu viel Zeit zu beanspruchen. Das wird aber hoffentlich bei ihr auch bald so sein.

Vermisst du dein altes, geregeltes Leben und deinen Job manchmal?

Dan: Also, mein Job bestand hauptsächlich darin, den ganzen Tag im Büro zu sitzen und Leute anzurufen. Ich vermisse ihn also nicht im geringsten (grinst).

Sehr verständlich. Letzte Frage: Im Pressetext, den ich vor diesem Interview bekommen habe, steht, dass ihr eine Band seid, die sich nach dem Gig gerne ins Publikum mischt, um mit den Leuten ordentlich zu feiern. Können wir das heute also auch erwarten?

Nathan: (lacht) Oh ja, glaub mir. Wir werden mittendrin sein und ordentlich Gas geben!

Dan: Gestern ist Nathan auch mit ein paar Leuten, die wir kennengelernt haben, in irgendeinen verranzten Techno-Club gegangen...

Nathan: genau, einen Techno-Club in Berlin unter einer Autobahn. Ich bin erst heute Morgen um 8 in der Früh zum Van zurückgekommen. Also, wir mögen es, rauszugehen, neue Leute kennenzulernen und mit ihnen Party zu machen. Wir werden sicherlich noch auf ein paar Drinks da bleiben. Komm uns doch nachher am Merchandising-Stand besuchen!

Werd ich mit Sicherheit! Ich danke euch für das Interview, und wünsche euch alles Gute für den Gig, ich freue mich schon darauf. Wir sehen uns dann nachher, wenn es losgeht!

Dan & Nathan: Wir haben zu danken! Dann bis später!

Johannes Neuhauser

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Konzertbericht (2009)

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