Interview

Stars


Nach Broken Social Scene macht sich die nächste Szeneband des kanadischen "Arts&Crafts" Label auf, den Indiethron zu besteigen. Anlässlich der Tour zum neuen Album "Set Yourself On Fire" trafen wir Songschreiber und Keyboarder Chris Seligman sowie Drummer Pat McGee zum Interview.

Das Album beschäftigt sich hauptsächlich mit dem großen Thema Liebe: „Sich verlieben – verliebt sein – sich trennen“. Ist der Albumtitel eine Art Metapher in Bezug auf die Gefühlssituationen, die man dabei durchlebt?

Pat: Absolut. Es ist definitiv eine Metapher, wir haben es nicht wörtlich gemeint. Wir meinen viele Dinge damit: sich engagieren und leidenschaftlich zu sein im Leben, oder bei was auch immer man gerade tut.

Chris: Ursprünglich bedeutete „Set Yourself On Fire“ sich politisch zu engagieren und mit Leidenschaft dabei zu sein. Die 90er hatten diese Gleichgültigkeitshaltung. Es war „cool“, sich keine Gedanken zu machen. Aber es ist einfach aufregender, leidenschaftlich und aktiv zu sein, sei es in der Liebe, im Leben, in der Politik, alles eben. Engagier dich und tu was! Ich denke, man sollte auch keine Angst haben, neu zu beginnen. Wenn man in seinem Leben durch etwas sehr Schmerzhaftes oder Schwieriges hindurch muss, darf man keine Angst haben. Denn sobald du durch bist, hast du etwas dazugelernt. Manchmal muss man alles aufgeben, um vorwärts zu kommen. Es ist eine sehr harte Entscheidung, jemanden zu verlassen, mit dem man schon seit 3 Jahren eine Beziehung führt, die aber einfach nicht mehr funktioniert. Aber ein Jahr später weiß man, dass es die beste Entscheidung war.

Was für eine Connection habt ihr zu Ibi Kaslik? (Anm. der Red.: Ibi Kaslik ist im Booklet der Stars Alben immer mit einem kleinen Text vertreten)

Chris: (lacht) Wow! Ibi Kaslik ist eine wunderbare Freundin der Band. Evan (Cranley, Bassist) und Ibi waren eine Weile zusammen. Amy (Millan, Sängerin und Gitarristin) und Ibi wuchsen zusammen auf, gingen zusammen zur Highschool und waren beste Freundinnen. Es gibt eine ganze Reihe von Leuten aus Toronto, zum Beispiel von Metric und Broken Social Scene, die sich immer wieder treffen, Ibi ist eine davon.

Pat: Sie ist ein Teil der ganzen Gruppe.

Chris: Außerdem hat sie die Gabe fantastisch schreiben zu können. Sie schrieb ein Buch namens „Skinny“, das im letzten Jahr in Kanada erschien. Sie ist eine sehr gute Freundin von uns.

Pat: Wir respektieren sie und ihre Arbeit. Indem wir ihre Worte im Booklet hinzufügen, versuchen wir, etwas einen besonderen Glanz zu verleihen.

War sie eine Inspirationsquelle für das Album?

Chris: Nein, ich denke wir haben gegenseitig eine neutrale Ansicht unserer Arbeit. Sie kennt uns schon so lange, war so lange mit Evan zusammen, sie war und ist Amys beste Freundin, sie kommt zu vielen unserer Shows, sie ist einfach ein Teil der Welt, in der wir leben.

Pat: Sie ist Teil unseres Lebens und wird in das, was mir machen, miteinbezogen.

Das Album vereint zahlreiche unterschiedliche Musikstile. Habt ihr euch vorgenommen so viele Musikrichtungen zu vereinen, oder war das eher ein automatischer Prozess?

Pat: Wirklich geplant war es nicht. Es war das erste Mal, dass die ganze Band zusammenkam, also wirklich jeder an einen Ort, um gemeinsam Musik für die Platte zu schreiben. Ich denke es war die Konstellation all der verschiedenen Leute, die dabei waren und somit all die verschiedenen Einflüsse. Wir mögen es, verschiedenartige Songs zu schreiben und neigen dazu, uns nicht nur an einen Stil zu halten. Wir mögen es, Dinge zu mischen.

Chris: Es lief allerdings nicht nach dem Motto: "Ein bisschen von dieser Musik, ein bisschen von jener...", es kam raus was eben dabei rauskam. Es hat sich so ergeben.

Pat: Natürlich gibt es musikalische Einflüsse, aber davon sind wir in letzter Zeit etwas weg gekommen. Wir sind nicht mehr so abhängig davon. Musik hat ihre eigene Energie. Musik passiert einfach, und das ist cool.

Wie schreibt ihr Songs wie "The Big Fight" oder "He Lied About Death", in denen so viele unterschiedliche Elemente enthalten sind?

Chris: Es kommt auf den Song an, aber in der Regel sitzt jemand da und spielt ein paar Akkorde. Die Strophen- und Refrainakkorde werden zusammengewürfelt. Amy dagegen braucht Zeit, ihre eigene Gefühlswelt zu kreieren, in der sie dann Ideen für die Texte bekommt. „The Big Fight“ ist interessant, weil Torquil (Campbell, Sänger) und Amy den Text zusammen schrieben, allerdings war die Melodie Amys Idee. Es ist wie Malen. Du fängst mit einer kleinen Idee an, baust sie aus, Leute bringen Ideen mit ein, man diskutiert über die Vorstellungen, die die Leute haben und dann wird die Idee geformt.

Wieso gibt es hier in Europa ein anderes Covermotiv? Was soll es darstellen?

Chris: Wir mochten das Cover, das auf den Platten in Amerika und Kanada zu sehen ist, nicht.

Pat: Wir haben es nicht entworfen, fanden es zwar ok, aber Torquil hatte eine Art Vision, wie das Cover aussehen sollte. Das Ergebnis kann man auf dem europäischen Cover sehen.

Chris: Viele Europäer mögen es nicht.

Pat: Naja, ich denke viele Leute mögen es, aber das Label dachte, dass – und das ist wirklich lächerlich, wenn man auf die Geschichte der Plattencover zurückblickt – das Cover in den Staaten und Kanada von den Leuten als anstößig aufgegriffen wird, wie „Spreng es in die Luft!“, dabei heißt es lediglich, dass man sich einsetzen und seine eigene Meinung haben soll. Manche mögen es, manche nicht, keine Frage. Aber es kam von Torquil, einem Mitglied der Band.

Ihr habt einen Link zu „Doctors Without Borders“ im Booklet vermerkt. Seht ihr es als Aufgabe der Band, auf Missstände aufmerksam zu machen und karitative Organisationen zu unterstützen?

Pat: Nein, ich denke es ist keine Aufgabe. Wir finden, es ist wichtig, den Leuten Aufmerksamkeit zu schenken, die versuchen, die Welt ein Stückchen zu verbessern und anderen Menschen zu helfen. "Doctors Without Borders" ist eine Gruppe, die wir respektieren und aus diesem Grund versuchen wir sie zu unterstützen.

Chris: Wir versuchen zu tun was wir können. In Montreal zum Beispiel findet in ein paar Wochen eine Art Popfestival statt. Das Geld, was wir einnehmen, werden wir "Doctors Without Borders" spenden.

Pat: Menschen unterstützen uns und wir unterstützen sie. Wir glauben an ihre Arbeit und respektieren sie. Sie arbeiten wirklich hart und versetzen sich in schreckliche Situationen. Es ist beeindruckend, dass jemand zu so etwas bereit ist.

Wie kam das Künstlerkollektiv "Arts & Crafts" zustande?

Pat: Broken Social Scene hatte eine Platte die gut genug war um sie auf einem Label rauszubringen. Sie dachten sich: wieso sollten sie jemanden dafür holen, wenn sie es selbst machen könnten? So fing alles an.

Chris: Wir alle sind in der Torontoer Musikszene aufgewachsen und hingen damals schon zusammen rum. Schon damals, lange bevor Arts & Crafts zustande kam und ein richtiges Label wurde, sprachen wir darüber die Sache gemeinsam durchzuziehen. Arts & Crafts basiert nicht auf dem Gedanken eines Unternehmens, sondern auf Freundschaften, weil wir alle zusammen aufwuchsen und diese Verbindung seit unserer Kindheit haben. In den letzten Jahren wurde alles größer...

(Pat muss zum Warmspielen und verlässt die Runde. Vorher bedankt er sich aber noch einmal artig und prostet uns zu)

Alle Bands und Musiker haben volle künstlerische Freiheit. Wenn ihr nun ein Angebot von einem großen Majorlabel bekommen würdet, würdet ihr dieses Angebot annehmen und eure künstlerische Freiheit dafür auf´s Spiel setzen?

Chris: Der einzige Grund wäre wohl, mehr Geld zu machen. Allerdings glaube ich nicht, dass wir jemals unsere künstlerische Freiheit aufgeben würden. Es müsste im Vertrag festgesetzt sein, dass Stars die künstlerische Kontrolle haben. Wir können es uns nicht vorstellen, dass uns jemand sagt wie wir unsere Musik zu schreiben haben. Wenn es jemals passieren sollte, dann aus der richtigen Situation heraus.

Da bei euch viele Musiker bei mehreren Projekten aktiv sind, ist die Frage berechtigt, wie ihr Aufnahmen, Songwriting und das Touren koordiniert. Ich stell mir das unheimlich kompliziert vor...

Chris: Das ist es manchmal auch. Amy und Evan spielen ab und an bei Broken Social Scene, für sie ist es vielleicht noch stressiger. Sie gehen von einer Tour zur Nächsten, sicherlich sind sie erschöpft. Aber das ist etwas, was wir lieben. Wir lieben es, auf Tour zu sein und Musik zu machen und sie lieben es genauso auch bei Broken Social Scene zu spielen. Was auch immer die Stars tun, sie tun es, mit Broken Social Scene arbeiten sie immer mal wieder dazwischen. So klappt das. Ich persönlich genieße es dennoch frei zu haben. Wenn wir als Band für einen Monat auf Tour sind und dann einen halben frei haben, kann ich an anderen Sachen arbeiten, anderer Musik zum Beispiel.

Könnt ihr euch vorstellen auch mal mit Künstlern außerhalb von "Arts & Crafts" zu arbeiten? Wer wären eure Favoriten?

Chris: Ausserhalb von "Arts & Craft" läuft eine ganze Menge. Es gibt so viele Musiker in Montréal die zusammen Musik machen, auch in vielen Nebenprojekten und ich fange an mich in dieser Stadt richtig wohlzufühlen. Musikalisch gesehen ist Montréal eine pulsierende Stadt, die neuen Musikern gegenüber so offen ist, das ist herrlich. Aber auch beängstigend. Loszulassen und neue Leute zu treffen um Neues zu tun. Das ist definitiv etwas was ich will, weil es meiner Meinung nach wichtig ist. Torquil hat ein anderes Projekt, das "Memphis" heißt. Pat hat seine eigene Band "Dr. No".

Kennt ihr irgendwelche Bands aus Deutschland?

Chris: Oh, da fragt ihr den Falschen. Vielleicht kenne ich ein paar wenn ihr welche erwähnt...

Rammstein.

Chris: Ja! Eigentlich sollte ich noch welche kennen, wir spielen nämlich mit ein paar deutschen Bands.

Kraftwerk?

Chris: Klar, die sind eine Legende. Ganz toll fand ich damals auch "99..." (singt) "Wie heisst sie?

Nena.

Chris: Das fand ich klasse, in Kanada war sie in den 80ern wahnsinnig erfolgreich!

Wir haben uns gedacht, weil viele Bands aus Übersee in Deutschland touren, würden diese gerne auch mal in die Musik deutscher Bands hineinhören. Deshalb haben wir hier für euch eine kleine Compilation zusammengestellt.

Chris: Hey, wow! Sind das alles deutsche Bands? Da kann ich ja deutsch lernen. Ich glaube die erste Band hier kenne ich sogar(The Notwist). Vielen Dank!

Benjamin Köhler, Marcus Schmanteck

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Rezension zu "No One Is Lost" (2014)
Rezension zu "The North" (2012)
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