Interview

LaFaro


"Wir machen Musik, zu der man in Swimming-Pools springen sollte", sagt LaFaro-Sänger Johnny Black. Wie Recht er hat. Denn auf "Easy Meat" rammen diese Nordiren den Alternative Rock mit einer hochbeschleunigten Dampfwalze des Lärms von der Straße. Im Raucherraum des Bei Chéz Heinz in Hannover trafen wir den lädierten Sänger und Gitarristen der Band – Johnny brach sich kurz vor der Europa-Tour das Bein. Ein Gespräch über die nordirische Identität, deutsche Chefköche und rabenschwarzen Humor.

Hi, Johnny. Erstmal zu eurem Publikum: Ihr macht Musik für Kerle. Kommen überhaupt Frauen zu euren Konzerten?

Johnny Black: Neulich hatten wir ein Konzert in Belfast, da waren zum allerersten Mal mehr Frauen als Männer. Aber überall sonst, wo wir je gespielt haben, kommen fast nur Typen in schwarzen Shirts. In Belfast haben die Leute gepeilt, dass ein Konzert auch eine Art Party-Ersatz ist, es ist also nicht nur alles Macho-Scheiß. Aber was soll's, ich beschwer mich nicht.

Wie ich gelesen habe, habt ihr mal einen Song von Katy Perry gecovert...wie kam das denn bei eurem typischen Publikum an?

Johnny: (lacht laut) Wie hast du davon denn erfahren?! Das stimmt, wir haben letztes Jahr auf einem Festival "I Kissed A Girl" gespielt. Das war witzig. Eine ganze Horde finster dreinblickender Männer und ein paar tanzende Mädels standen vor uns. Das war eine einmalige Sache. Wir wollen ja nicht als eine Band bekannt sein, die Katy Perry covert.

Das ist jetzt eure zweite Tour auf europäischem Festland. Habt ihr Unterscheide beim Publikum und bei der Rezeption im Vergleich zu eurer Heimat Nordirland festgestellt?

Johnny: Zunächst mal: Hier sehen alle Menschen besser aus. Sogar deutlich besser. Netter sind sie auch noch. Menschen in Großbritannien und Nordirland sind garstig. Die Venues hier sind auch noch cooler als zu Hause. Vom Feedback her ist es hier auch besser. Im UK interessiert man sich nicht mehr für Rock-Musik, nur noch ober-stylische Indie-Bands sind angesagt. Auch das ist hier anders, Touren bringt uns hier deutlich mehr Spaß.

Echt? Ich hatte den Eindruck, dass ihr in Großbritannien viel bekannter seid als im Rest Europas.

Johnny: Das liegt nur daran, dass wir dort wesentlich mehr getourt haben. Aber wir wollen so oft wie möglich auf Europas Festland.

Kommen wir mal zu eurem neuen, zweiten Album "Easy Meat". Darauf sind viele merkwürdige Interludes. Deutsche horchen vor allem bei "Langer" auf, weil da Deutsch gesprochen wird. Habt ihr viele der Interludes hier aufgenommen?

Johnny: Ja, ich hab's mitgeschnitten und zwar etwa vor 'nem Jahr auf unserer ersten Tour hier. Ich hab dann einfach mal dumme Leute aufgenommen. Oder Lustige und Betrunkene. Interessanterweise waren das in den meisten Fällen Deutsche. Ich glaube, fünf von den sieben Interludes auf "Easy Meat" sind hier entstanden. In "Langer" zum Beispiel ist der Chefkoch des Clubs Forum in Bielefeld zu hören, in dem wir gespielt haben. Der hat nach seiner Schicht den ganzen Abend an der Bar Schnäpse getrunken und wurde dabei immer lustiger und lauter. Super Typ. Uns hat er immer "Irish Langer" genannt, daher der Name. Deutschland ist ohnehin super, hier haben wir sehr gutes Feedback vom Publikum, es ist hier so, als würden wir daheim in Belfast spielen. Wir kennen Therapy? ganz gut, die finden es hier auch super.

"Easy Meat" ist brutaler, aggressiver und metallischer geraten als eurer selbstbetiteltes Debüt. Seid ihr das Album anders angegangen?

Johnny: (sofort) Absolut. Erst einmal hatten wir wirklich sehr wenig Zeit, das zweite Album zu schreiben. Dazu kam, dass wir über ein Jahr lang keine neue Musik komponiert hatten. Deswegen sind wir einfach mit den dämlichsten und stumpfesten Riffs rausgeplatzt, die uns eingefallen sind. Hoffentlich treffen sie die Magengrube. Das Album soll vor allem Spaß machen.

Tut es, "Easy Meat" ist spontaner und Riff-orientierter.

Johnny: Das war der Plan. "Fuck-Songs", wenn du so willst (lacht). Ich hoffe, die Leute nehmen das Album nicht zu ernst. Das ist ne Party-Platte! Wir versuchen gar nicht erst, irgendwie politisch zu sein. Die Texte sind sehr nordirisch – darin finden sich sehr viele lokale Ausdrücke. In Nordirland verstehen das die meisten, im Rest der Welt geht das vielleicht flöten. Trotzdem: Zu unserer Musik sollte man in Swimming-Pools springen.

Hast du dir für die Texte ein Konzept zurecht gelegt?

Johnny: Ja, "Easy Meat" sollte so nordirisch sein wie nur möglich. Jeder einzelne Song-Titel ist eine Phrase, die in irgendeiner Ecke von Nordirland praktisch jeden Tag benutzt wird. Viel kommt aus Derry – das sind so die lustigsten Leute in Nordirland. Der Lokalbezug rührt daher, dass das erste Album so amerikanisch klang. "Easy Meat" ist darauf nun die Reaktion.

Und wofür genau steht "Easy Meat"?

Johnny: (grinst) Für so einiges. Es kann was ziemlich Versautes sein..(überlegt)...aber im Grunde heißt es einfach nur: "Passt schon" oder (sagt's auf Deutsch) "Kein Problem".

Das Album ist für mich positiv aggressiv. Siehst du auch so? Und falls ja, hat das einen Grund?

Johnny: Sehe ich ähnlich. Ich sag's ganz offen: Wir sind frustriert über das Land, in dem wir leben. Wie gesagt, wir versuchen nicht, zu politisch zu sein. Aber wenn du aus Nordirland stammst, macht dich das automatisch zu einer wütenden Person. Es ist ein rückständiges Land mit sehr schmalem Horizont. Naja, und dann reist du durch die Welt, kommst wieder nach Hause und bist total deprimiert (lacht). So lassen wir die Frustration raus. Wir sind alle ganz schön angepisst (lacht weiter). Um mal genauer auf die Texte einzugehen: Mich faszinieren die Dinge, die in Gesprächen nicht gesagt werden – sozusagen der Subtext. Sachen, die im Raum stehen, aber nicht ausgesprochen werden. Alle Texte auf dem Album zerren diesen Subtext an die Oberfläche. "Easy Meat" spricht aus, was Menschen eigentlich sagen, wenn sie reden. Das hat uns den Ruf eingebracht, massig schwarzen Humor zu haben. Wir sind so eine Art Larry David (US-Komiker, der am Konzept für die Serie Seinfeld mitschrieb, Anm. d. Verf.).

Euer schwarzer Humor schlägt sich auch deutlich in euren Promo-Fotos nieder, auf denen ihr als blutbesudelte Metzger-Truppe im Wald posiert. Wer kam denn auf diese großartige Idee?

Johnny: Das war unser Gitarrist Dave. Dieses Shooting war urkomisch, weil die Passanten, die durch den Wald liefen, total Schiss hatten. Das gab komische Blicke. Viele fanden die Fotos aber nicht so witzig wie du. Die dachten echt, wir tragen auch auf der Bühne Metzger-Klamotten (lacht).

Future Of The Left haben mal ähnliche Fotos gemacht – statt in einem Wald standen sie aber vor einer Schrottpresse. Gibt's mehr als nur diese Verbindung zu der Band?

Johnny: Ja, wir kennen die Jungs ziemlich gut. Mit meiner allerersten Band überhaupt habe ich im Vorprogramm von Mclusky (Vorgängerband von Future Of The Left, Anm.d.Verf.) getourt. Das war grandios. Diese Typen jeden Abend beim Scheisse labern zu hören, war unbezahlbar. Die sind zum Totlachen. Wir sind auch große Fans und umgekehrt, wir besuchen gegenseitig unsere Shows.

Ich finde, du klingst ja auch ein bisschen wie deren Sänger Andy Falkous.

Johnny: Echt? Oh weia, sag ihm das bloß nicht. Ich hab mich mal bei seiner Freundin dafür entschuldigt, dass ich so sehr nach Andy klinge. Sie sagte nur: "Finde ich überhaupt nicht. Du klingst wie Mark E. Smith von The Fall". Ich hab dann gelacht und das einfach so hingenommen.

Wo wir grad bei Tourpartnern sind: Wer war bislang dein Favorit?

Johnny: Wir hatten letztes Jahr mächtig Spaß mit Helmet. Es heißt ja immer, man solle seine Helden nicht treffen – aber diese Typen waren echt fantastisch. Die haben so viel Erfahrung, sind schon so lange dabei und haben dazu einen schön finsteren Humor. Auch vorn dabei sind And So I Watch You From Afar, coole Jungs. Und dann sind da noch Fighting With Wire. Die Band ist auch auf unserem Label und wir touren echt oft mit denen. Deren Sänger ist wahrscheinlich der witzigste Typ auf diesem Planeten. Er hat überhaupt keine Angst davor, sich zum absoluten Vollhorst zu machen.

Hast du noch weitere Bands aus Nordirland, die man für die Zukunft auf dem Schirm haben sollte?

Johnny: Klar, es gibt eine sehr gesunde Szene voller junger Bands bei uns, die sich gerade entwickeln und die auch alle wissen, wie man gute Songs schreibt und Instrumente spielt. Ganz im Gegensatz zu uns, als wir angefangen haben. Event Horses oder The Rupture Dogs sind zwei Bands, die ich da jetzt mal rausgreife. Die sind beide total unabhängig, machen alles selbst und wollen wie verrückt nach Europa.

Nordirische Bands wie ihr oder And So I Watch You From Afar sind bemerkenswert. Auf einmal taucht ihr auf und man hat es mit einer erfrischenden Szene zu tun.

Johnny: Ja, das Land und seine Kultur haben sich in letzter Zeit sehr verändert. Die Jungen, die die alten Grenzen nicht mehr sehen, sind jetzt an der Reihe. Es gibt keine Angst mehr, was zu wagen. Keine Angst mehr, sich vielleicht wehtun zu können. Das war lange ein großes Hindernis. Denn bei uns werden die Loser gefeiert, wer Erfolg hat, ist unten durch. Ich meine, unsere beiden größten Sportler – George Best und Alex Higgins – waren chronische Alkoholiker und sind daran sogar gestorben. Diese Liebe zum Losertum vergeht aber langsam.

Wo wir grad beim Trinken sind: Motörhead sind ja eine klassische "Whiskey"-Band, The Bronx zum Beispiel gehören in die Bier-Fraktion. Wo stehen LaFaro?

Johnny: (lacht) Hängt davon ab, mit wem aus der Band du sprichst. Alan, unser Drummer, wacht auf und trinkt ein Bier – jeden Tag zum Frühstück. Ich hingegen bin totaler Tee-Junkie. Einen Tee und 'ne Zigarette am morgen – besser geht's nicht. Wir nehmen keine harten Sachen oder so. Wir trinken gern ein paar Guinness, das passt. Euer Bier hier ist auch nicht zu verachten. Gestern Nacht haben wir uns in Köln mit Bitburger abgeschossen, das war gut. Ich freue mich auf München, was das angeht.

Okay, nun zur letzten "Frage". Du musst für mich einen Satz beenden: Wenn Scott LaFaro, einer der einflussreichsten Jazz-Bassisten überhaupt, in unserer Band spielen würde, dann würden wir....

Johnny: Wow....äh...(lacht los). Also er wäre ganz schön alt, oder? (lacht weiter, schweigt dann und denkt nach)... Also: Wäre Scott LaFaro in unserer Band, dann würden wir ihn einfach feuern. Es gibt keine Welt, die ich mir vorstellen kann, in der wir keine Verzerrer-Pedale benutzen. Außerdem würden wir neben Scott alle total dämlich aussehen.

Gordon Barnard

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Rezension zu "Easy Meat" (2012)

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