Interview

Brian Fallon


Von Fake-News zu "Friends": Brian Fallon hat auf der Tour zu "Painkillers" einiges zu erzählen – und das nicht nur im Interview. Wir haben ihn in Bremen getroffen.

Zur Hansestadt hat Brian Fallon noch eine ganz besondere Beziehung: Der Chef des Bremer Labels Gunner Records lud The Gaslight Anthem vor mittlerweile knapp 10 Jahren auf eine Ochsentour durch Deutschland ein, 23 Shows in 30 Tagen. Viel ruhiger wurde es danach für Fallon nicht. 5 Gaslight-Alben, drei Nebenprojekte – kann der Mann nicht pausieren? "Dafür hab ich immer noch zu viel zu sagen. Außerdem kann ich mir lange Pausen auch gar nicht leisten. Man denkt immer, dass man als Band schnell reich würde, aber die Zeiten sind vorbei. Und manchmal muss man auch entscheiden, ob man das tun, woran man glaubt, oder einfach Geld machen möchte."

Für Letzteres hätte es genügend Chancen gegeben. "Eine Bierfirma hat mir mal einen richtigen Batzen Geld geboten, um 'Behold The Hurricane' für einen Werbespot zu benutzen. Ich trinke zwar auch Bier, möchte aber nichts damit zu tun haben, wenn Jugendliche für sich entscheiden, ob sie zu trinken anfangen wollen. Als die Postbehörde mal angefragt hat, das war etwas Anderes. Zu denen hab ich keine Meinung. Die liefern halt hin und wieder meine Post." Eine weitere Gefahr: Dann auf diesen einen Song reduziert zu werden. "Kennst du den 'Friends'-Themesong? Die Band, die den schrieb, wird nun dermaßen auf diesen einen Song reduziert, ich weiß nicht mal, wie der heißt! Die könnten ein neues 'Bohemian Rhapsody' schreiben, das würde nichts ändern!"

Ist es denn nicht ebenso ein Problem für ihn, wenn Fans Gaslight-Lieder auf Konzerten fordern oder Journalisten ständig wissen wollen, wann deren neues Album erscheint? "Du hast Recht, das kann sich schon fast beleidigend anfühlen. 'Hey, danke, dass du Abendessen gekocht hast, wann kommt die Pizza?' Ich finde die ständigen Nachfragen komisch. Du rufst ja auch nicht jeden Tag deine Ex an und fragst, ob du wieder mit ihr zusammen kommst. Nach Gaslight-Songs wird aber Gott sei Dank selten gefragt. Das würde auch das ganze Konzert verwässern."

"Verwässern" – eine Metapher, die Fallon zu einem Thema bringt, das ihm am Herzen liegt: "Genau wie die News in den USA. Die bestehen auch oft nur aus Panikmache. Da schaust du um sechs Uhr abends fern und es heißt: 'Dieses Nahrungsmittel, das Sie täglich essen, wird Sie umbringen! Welches? Schalten Sie um zehn Uhr ein!'" Ob er von den reißerischen mazedonischen Fakenews-Seiten während des Wahlkampfs gehört habe, die nur ins Leben gerufen wurden, um durch viele Clicks viele Werbegelder einzubringen? "Das ist doch verrückt. Solche Leute haben doch keinerlei Empathie für diejenigen, die dadurch geschädigt werden. Und Empathie muss man haben, sonst ist man ein Soziopath."

Auch in seinem Songwriting geht für Brian Fallon nichts ohne Empathie. Auf "Painkillers" nutzt er diesmal auch vermehrt andere Standpunkte, von denen aus er seine Geschichten erzählt: "Diesmal konnte ich meine Blase, in der ich mich fast zehn Jahre lang befunden hab, endlich einmal verlassen. Immer nur 'ich, ich, ich' schreiben, das kann jeder. Tu ich ja auch oft. Oft kann man eigene Probleme aber auch besser verstehen, wenn man aus der Sicht anderer darauf schaut. Und manchmal muss man sich auch in andere hineinversetzen können, um ihre Probleme zu verstehen. Das ist nicht immer leicht, gerade Frauen denken oft ganz anders, vielleicht auch besser, als wir Männer. Das ist wie bei den Pyramiden – wenn man sich die anschaut, hat man auch zuerst keine Ahnung, wie die entstanden sind. Es funktioniert aber, sich das Stein für Stein vorzustellen. Und das ist auch meine Mission: Songs zu schreiben, die auch anderen etwas bedeuten können. Die ihnen helfen können, morgens aus dem Bett zu kommen, gerade denjenigen, die wirklich körperlich toughe Berufe haben. Müllmann, Bauarbeiter. Diese Jobs hatte ich auch mal. Die isolieren dich von der Gesellschaft, weil du morgens früh rausmusst, während alle anderen noch schlafen. Das sind die Leute, die meine Songs auf dem Weg zur Arbeit hören und fühlen sollen, dass sie nicht allein sind."

Nun ist der Bremer Schlachthof vielleicht nicht ausschließlich mit Müllmännern und Bauarbeitern gefüllt, und doch ist er voll mit Menschen, die Fallon an den Lippen hängen. Auf der Setlist findet sich übrigens auch heute kein einziger Gaslight-Song, dafür fast die komplette "Painkillers", einiges von The Horrible Crowes und zum Abschluss das Neil-Young-Cover "Rockin In The Free World". Die Pausen zwischen den Stücken füllt Fallon immer wieder mit ausufernden, absurd komischen Ansagen, in denen er unter anderem erklärt, dass sein Sohn laut eigenen Aussagen zur Ninjaschule geht und es in der New Yorker Kanalisation eigentlich überhaupt keine Turtles gibt. Er solle Stand Up Comedian werden, ruft ein junger Mann aus der ersten Reihe, und Fallon stimmt zu. Aber was für ein großartiger Musiker würde uns dann verloren gehen?

Jan Martens

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