Interview

Beach House


Mit „Teen Dream“ haben Beach House eines der schönsten Alben 2010 hingelegt. Umso stolzer sind wir, dass es uns in allerletzter Sekunde gelang, beim Haldern Pop Mastermind Alex Scally vor das Mikrofon zu zerren. So erklärt er unter anderem, warum er von Genre-Bezeichnungen nichts hält und warum Victoria Legrand (Sängerin) so gut zu ihm passt.

„Teen Dream“ hat euren Sound hörbar verändert. Was das eure Absicht oder geschah das alles rein zufällig bei den Aufnahmen zum Album?

Alex Scally: In den zwei Jahren zwischen unseren letzten beiden Alben haben wir uns als Band sehr verändert, ohne das wirklich selbst zu realisieren. Gerade das ständige Touren beeinflusst dich als Band sehr. So kam es, dass der Sound auf „Teen Dream“ einfach aus unseren Erfahrungen während dieser Zeit heraus entstanden ist. Er ist das Ergebnis aus dem, was uns musikalisch während der beiden Alben geprägt hat. Trotzdem ist das natürlich kein absichtlicher Prozess. Es ist einfach so passiert.

Das Grundgerüst eures ursprünglichen Sounds ist auf dem gesamten Album ja immer noch vorhanden. Für mich erscheinen die Songs nur ausgereifter und durchdachter als jemals zu zuvor. Habt ihr einen anderen Ansatz beim Songwriting ausprobiert?

Alex: Nein, überhaupt nicht. Weißt du, ich glaube, es liegt am vielen Touren, dass wir jetzt reifer klingen. Man bekommt irgendwie ein besseres Gespür dafür, wie man den Hörer mit seiner Musik noch mehr erreichen kann. Auch das ist aber wiederum eher unterbewusst passiert, wobei wir natürlich selbst danach realisiert haben, dass es uns mit „Teen Dream“ sehr gut gelungen ist, unseren Sound auszudifferenzeren und den Hörer damit noch mehr zu packen.

Macht ihr also in erster Linie Musik für den Hörer?

Alex: Auch, aber nicht nur. Ich denke, um beim Musik machen richtig befriedigt zu werden, muss es einer Band gelingen, zum einen die eigenen Ansprüche zu erfüllen und zum anderen aber auch bei den Leuten richtig anzukommen. Positive Rückmeldung ist einfach unglaublich wichtig, um dauerhaft motiviert zu bleiben. Beides schließt sich ja auch überhaupt nicht aus. Du musst es nur richtig hinbekommen. (lacht)

Victorias Stimme ist meiner Meinung nach auf „Teen Dream“ auch viel präsenter und kraftvoller als zuvor. Siehst du das genauso?

Alex: Ja. Finde ich auch ganz erstaunlich, um ehrlich zu sein. Victoria hat ja eine klassische Gesangsausbildung genossen und mehr oder weniger ihr ganzes Leben nur gesungen. Trotzdem scheint da immer noch Entwicklungspotential vorhanden zu sein. Ich denke, dass das Touren im Vorfeld zu „Teen Dream“ dafür verantwortlich war, dass dieses Potential dann schlussendlich für die Aufnahmen abgerufen werden konnte.

Eure Songs umgibt so eine unglaublich melancholische Aura, gerade auch textlich. Oft gibt die Musik bei euch genau den textlichen melancholischen Unterton wieder. Koordiniert ihr Musik und Texte so, dass sie möglichst gut zusammenpassen oder ergibt sich das einfach so?

Alex: Man kann schon sagen, dass wir das eher so koordinieren. Bevor Victoria die Lyrics schreibt, ist die Musik immer schon da. Sie lässt sich davon dann textlich inspirieren und passt ihre Stimme der musikalischen Grundstimmung an. Es ist ein wenig so, als ob man zu instrumentaler Musik einfach irgendwas mitsingt, was man für passend hält.

Ich habe nicht eine negative Review zu „Teen Dream“ gelesen. Das heißt wohl, dass die Kritiker alle recht begeistert von dem Album waren. Schmeichelt euch das, wenn ihr solch positive Kritiken bekommt oder kommt da irgendwo doch immer der Musiker durch, der an jedem Album etwas zu bemängeln hat?

Alex:
Also, es gab tatsächlich auch ein paar negative Kritiken. Aber es kommt eigentlich für uns gar nicht darauf an, ob die Kritik jetzt positiv oder negativ ist. Wir freuen uns schon darüber, wenn überhaupt jemand die Platte gehört hat und sich Zeit nimmt, etwas dazu zu schreiben oder zu sagen. So selbstverständlich ist das ja nun auch nicht und dann darf man sich auch geschmeichelt fühlen.

Und etwas auszusetzen an „Teen Dream“ hast du auch nicht?

Alex: Ich bin so zufrieden mit „Teen Dream“, wie man als Musiker mit einem Album nur zufrieden sein kann. Es gibt immer irgendwas, was man im Nachhinein noch besser hätte machen können. Man muss aber irgendwann einfach die Reißleine ziehen und sagen „ok, das war es jetzt, der Song ist fertig“. Das ist auch etwas, was bei Victoria und mir extrem gut funktioniert. Wir wissen genau, wann man einem Song nichts Neues und Sinniges mehr hinzufügen kann. Wir hatten diesbezüglich noch nie Streit oder waren uns uneinig. So etwas ist sehr selten und ich bin froh darüber, dass Victoria und ich so auf einer Wellenlänge liegen.

Mit eurem neuen Album ging ja auch ein Wechsel zu Sub Pop (Label, Anm. d. Red.) einher. Hat sich für euch dadurch etwas verändert?

Alex: Irgendwie haben wir den Wechsel kaum wahrgenommen. Heutzutage sind die Labels doch schon alle sehr ähnlich. Auch Sub Pop ist sehr gut organisiert und wir hatten eigentlich keinerlei Umstellung in irgendeiner Weise zu überstehen. Wir haben Sub Pop auch deswegen ausgesucht: Viele unserer Freunde haben schon mal auf dem Label veröffentlich und jeder war eigentlich sehr zufrieden mit der Arbeit dort. Als wir das Angebot bekamen und klar war, dass wir dadurch das nötige Geld für ein neues Album bekommen würden, mussten wir nicht lange überlegen.

Du kannst den Begriff wahrscheinlich schon lange nicht mehr hören, aber in eurem Zusammenhang ist ja nahezu immer von „Dream Pop“ die Rede. Ist das OK für euch oder geht euch das auf die Nerven?

Alex: Uns macht das nichts aus. Ich bin sowieso der Meinung, dass Genre-Bezeichnungen keinen Sinn ergeben.

Warum?

Alex: Nun, pro Jahr kommen Hunderttausende neue Alben auf den Markt und in jedem steckt eine ganz eigene Individualität. Man kann versuchen, jedes Album durch Genres zu kategorisieren, aber letztendlich bedeutet das alles nichts. Musik ist für mich Musik, weil sie dich etwas fühlen lässt und nicht, weil sie irgendwie benannt werden muss. Ich kann aber trotzdem nachvollziehen, warum man unseren Sound „Dream Pop“ nennt. Das liegt wohl zum einen an unserer Instrumentierung, die schon etwas schwelgerisch daherkommt und damit das „Dream“ rechtfertigt und zum anderen an unseren Melodien und Songstrukturen, die eben an klassischem „Pop“ orientiert sind. Daher geht das auch mit der Kategorisierung vollkommen in Ordnung, obwohl ich wie gesagt nichts von Musikgenres halte.

Ich habe den Eindruck, dass seit eurem Album plötzlich diese so genannten Dream-Pop-Bands wie Pilze aus dem Boden schießen. Habt ihr mit „Teen Dream“ womöglich einen Trend losgetreten?

Alex: Ich weiß schon, was du meinst, aber ich glaube, das ist alles nur Zufall. Bands wie Washed Out oder aktuell jetzt Best Coast gibt es auch schon eine ganze Weile. Ich denke, die Presse tendiert einfach dazu, bestimmte Musikrichtungen von Zeit zu Zeit in den Fokus zu rücken, obwohl eigentlich gar keine große Entwicklung in dem Genre stattgefunden hat. Dann kommt es eben zu dem Eindruck, dass Dream Pop gerade sehr überrepräsentiert ist. Aber du wirst sehen, in drei bis vier Monaten sieht die Sache schon wieder ganz anders aus. Vielleicht erleben wir ja dann wieder das große Grunge-Revival. (lacht)

Bitte nicht.

Alex: Warts ab! Du und ich, wir alle werden es lieben!

Ich fürchte, damit könntest du recht haben. Aber erzähl mir zum Abschluss doch noch eine etwas gesichertere Zukunftsprognose. Geht es bald wieder zurück ins Studio?

Alex: Das wünschen wir uns schon seit langer Zeit, aber wir beenden jetzt erst mal noch die Tour bis Anfang Dezember. Danach soll es direkt ins Studio gehen. Ein paar Songs haben wir auch schon geschrieben, aber die sind alle noch zu unausgereift, um konkret etwas zu ihnen zu sagen. Mal schauen, ob es beim Dream-Pop bleibt oder ob wir nicht vielleicht doch mal den Nightmare-Pop ausprobieren. (lacht)

Benjamin Köhler

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