Festival-Nachbericht

Reeperbahn Festival


Außer Frage steht: Jegliche Einleitung zu jeglichem ernstzunehmenden Reeperbahnfestivalbericht muss einen Punkt ansprechen: Man kann bei weitem nicht alles sehen, was man gerne sehen würde und ist deswegen ausnahmsweise nicht eingeschnappt, sondern freut sich, von Club zu Club (und eventuell zu Kirche, oder Schiff, oder Bank...) gespült zu werden, viele Freunde wiederzutreffen, natürlich auch die eine oder andere Herzensband sehen, aber eventuell auch zukünftige Herzensband kennenlernen zu können. Fast wichtiger hier: Wie optimiert das Team des Reeperbahnfestivals dieses Konzept noch an den richtigen Stellen?

Zum einen mit dem nötigen Brimborium drumherum natürlich, der den geneigten Hamburgtouristen als auch den Einheimischen möglichst schon nachmittags auf die bunte Meile locken soll. Die Kunst- und Posterausstellungen wurden weiter ausgebaut, Ray Cokes begrüßt wieder einmal Bands zum Plausch und das Wetter... okay, da hatten die Festivalmacher Glück. Zum anderen konnten die Bands dieses Jahr so in die Clubs verteilt werden, dass zumindest diesem Autoren nie enttäuschte Schlangen vor einzelnen Läden auffielen – auch wenn die (leider etwas schnarchnasig aufspielenden) Cloud Control das Knust durchaus bis zum Anschlag füllen konnten.

Dieses Problem bietet sich donnerstags auf dem Kiez sowieso selten – ist dieser Tag doch viel mehr die Aufwärmphase des Reeperbahnfestivals, bei der die Anzahl der einladenden Clubs noch recht überschaubar ist. Neben ordentlichen bis guten Auftritten von Die Heiterkeit und Team Me müssen hierbei vor allem Sound Of Rum erwähnt werden: trockenes Schlagzeug, teils flirrende Indie-Gitarren und eine Rapperin, die ihre Lyrics in einer Geschwindigkeit spittet, wie man's lange nicht gehört hat – ein erstes Highlight.

Dass gerade ein Bericht über den Freitag und den Samstag hingegen nur ein Schnappschuss eines bestimmten Moments auf ein paar wenigen Quadratmetern der Reeperbahn sein kann, dürfte, wie gesagt, klar sein – und dennoch kann man sich freuen, wenn diese Schnappschüsse so schön ausgefallen sind wie dieses Jahr: Zu früher Stunde ziehen die Eastern Conference Champions, unpassenderweise auch durch ihren Beitrag zu einem Vampirfilmsoundtrack bekannt, eine akzeptable Menge mit ihrer Mischung aus Sonic Youth und den Cold War Kids ins Molotow; dass Dry The River und ihre wunderschönen Folkballaden nochmal ganz, ganz groß werden, hat mittlerweile auch jeder verstanden; und die freakige EMA kann auch nachts um 2 noch das Knust wachhalten. Okay, natürlich kann der Schnappschuss auch mal komplett in die Hose gehen – oder was genau war das für ein epileptischer Scooter-Abklatsch, den die Handsome Furs da probiert haben? Schäm dich, Dan Boeckner.

Auch am Samstag kaum Schatten, dafür viel Licht – auf dem Reeperbahnfestival kann man einen Tag eben mal damit beginnen, dass man andächtig Lanterns On The Lake (s. Foto) in der Kirche lauscht und ihn damit beenden, dass man zu Retro Stefson im Circle Pit tanzt. Liebenswerter als Locas in Love kann eine Band wohl auch nicht mehr werden, aber sich mit guten Erfolgsaussichten um den zweiten Platz prügeln, wenn man wie Dear Reader Cherilyn Macneil als Frontfrau hat. Ansonsten lässt sich kaum viel mehr sagen als: Wieder einmal quasi alles richtig gemacht – dann bis 2012.

Jan Martens

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