Festival-Nachbericht

Melt! Festival 2015


Das Melt! 2015 ist kaum um, da wird schon wieder für das nächste Jahr geplant. Laut Veranstalter wird es 2016 wieder Überraschungen und richtungsweisende Änderungen geben. Warum letztere gar nicht so notwendig sind, da das Festival bereits jetzt zu den besten gehört, die man hierzulande erleben kann, lest ihr in unserem Nachbericht.

In gewohnt einfacher, aber genialer Bildsprache ist "The Sun" links der Hauptbühne angebracht, rechts prangt "The Moon" – was fehlt, ist nur "The Rain", der teilweise heftig auf sein Fehlen aufmerksam macht. So viel zum Wetter beim Melt!, denn diese drei gab es jeweils im Überfluss. Tagsüber lud der Strand des Gremminer Sees, nachts das Festivalprogramm der Bühnen ein. Gut war es, das Melt! 2015, das das wohl schönste Festivalgelände und einige der angenehmsten Besucher des Landes bietet. Das zeigt sich sowohl auf dem Festivalgelände, wo Nils Frahm zu bester Headlinerzeit ein elektronisch unterstütztes Pianoset zum Besten geben kann, ohne niedergequatscht zu werden, als auch auf dem Campingplatz, wo überwiegend angenehme Musik aus den Anlagen schallt, statt des üblichen Trashterrors anderer Festivals.

Aber der Reihe nach: Auch das Melt! setzt, wie viele Festivals, dieses Jahr auf Cashless. Mit Karte bekommt man ein Band, das man aufladen kann, womit alles bezahlt wird. Anders als beim Berlin Festival, wo die Abwicklung im Chaos endete, oder beim Hurricane, als stundenlang das Netz ausfiel, hat sich die Technik mittlerweile etabliert und läuft – auch nach Auskunft von Händlern – reibungslos. Das Gelände eröffnet Freitag gewohnt Markus Kavka – wer vorher schon tanzen möchte, kann dies bei der Pre-Party am Donnerstagabend tun, oder aber auf der neu geschaffenen Open-Stage auf dem Campingplatz. Dieses holzvertäfelte kleine "Art-Village" bietet sowohl Musik als auch Kunst oder morgendliche Yogakurse und ist definitiv ein schöner, neu geschaffener Ort zum Verweilen.

Im Vorfeld war lange die Frage offen, wie voll es dieses Jahr sein würde. Bis zuletzt gab es Karten, einige befürchteten sogar ein leeres Melt!. Der persönliche Eindruck sagt: Gut gefüllt war es, wenngleich die Besucher sich auf dem weitläufigen Gelände so stark verteilen, dass bei einigen Acts wirklich wenig los war. So mussten die wiedervereinigten Ride vor fast leerer Kulisse spielen, wohl auch, weil die meisten Besucher zur Hochzeit der Band gerade erst geboren wurden. Vielleicht lag es auch an der Gitarrenlastigkeit, die auf dem hauptsächlich auf Elektro ausgelegten Festival größtenteils nicht ins Schema passt. Zu voll dagegen ist es, als Jamie XX sein Set auf der Melt!Selektor-Stage am Strand spielt – hier wäre eine Verlegung sinnvoll gewesen, zumal der Sound an dieser Stelle viel zu leise war.

Freitag überzeugen auf der Hauptbühne Bilderbuch, Mogwai und vor allem London Grammar sowie Nils Frahm. London Grammar spielen neben ihrem ersten Album auch den neuen Titel "Hell To The Lies", bei dem Sängerin Hannah Reid erneut ihre unfassbar schöne Stimme zeigt. Frahm hingegen stürzt sich allein auf seine drei mitgebrachten Klaviere. Enttäuschend ist an diesem Abend lediglich Flume, der scheinbar lediglich bei seinem Laptop den "Play"-Button betätigt, was auf der Hauptbühne ein wenig deplatziert wirkt. Auf den anderen Bühnen macht Scuba auf der BigWheel-Stage einen sehr guten Eindruck – er spielt ein sehr langes, aber immer tanzbares DJ-Set. Eine Reise zurück in die 1990er Jahre bieten Roni Size Reprazent im Zelt, wenngleich eine sehr stumpfe. Nur Gutes hört man auch von Autechre.

Nachdem am Samstag ein kurzer, aber heftiger Hagelsturm übers Gelände und den angrenzenden Ort gezogen ist, geht es ohne weitere Störungen am Abend weiter. Größte Überraschung war schon im Vorfeld die Buchung von Kylie Minogue. Der vielleicht schönste Kommentar dazu: "ich dachte erst, das wär wieder irgend so ein DJ, der sich so nennt". Aber nein, die echte, wenn auch sehr kleine Kylie trat auf die Bühne – und verließ diese erst wieder mit einer halben Stunde Verzug. Davor durfte Giorgio Moroder das Prinzip "Opa macht Ibiza-Disko" auf die Bühne bringen. Der Trash, der auf dem Campingplatz fehlte, war nun eine knappe Stunde auf der Hauptbühne zu erleben. Wem das zu anstrengend war, dem blieb mit Sirusmodeselektor eine gute Alternative am Strand. Großes Highlight zu später Stunde war dann Jon Hopkins, der die Lautstärke der Hauptbühne bis an ihre Grenzen brachte. Im Zelt hatten an diesem Tag AnnenMayKantereit den größten Zuspruch. Wer sie nicht kennt: Rio Reiser trifft auf die frühen Element Of Crime, dazu gibt es Texte rund um das Thema Erwachsenwerden mit all seinen Facetten. Diese Band wird sicherlich noch sehr groß werden, in spätestens fünf Jahren sind die bei großen Festivals Headliner.

Die echten Element Of Crime konnte man am Sonntag erleben, sie spielen ein schönes Set mitsamt Hits wie "Delmenhorst", "Damals Hinterm Mond", "Immer Da Wo Du Bist, Bin Ich Nie" und dem alten "Don't You Smile". Das Wetter ist an diesem Sonntag mäßig, so müssen Catfish & The Bottlemen ihr Set unterbrechen, da sich der Sänger Stromschläge am Mikrophon holt. Die Band selbst klingt wie Black Rebel Motorcyle Club und sieht auch genauso aus. Im Gegensatz zu Ride füllen Alt-J den Raum vor der Mainstage wieder fast komplett und bieten einen schönen Abschluss des Festivals, wenngleich die Band sehr statisch auf der Bühne agiert.

Was gibt es sonst noch zum Festival zu sagen? Nun, 2015 ist weniger Glitzer sichtbar, dafür umso mehr Musik hörbar, was zeitweise dann noch zu viel ist. Neben den regulären Bühnen haben diverse Stände und Partner eigene Beschallung, sodass es manchmal recht fiese, nervtötende Überschneidungen gibt. Im Bereich um die MeltSelektor-Stage etwa kommen aus vier Ecken gleichzeitig Töne, weniger wäre hier mehr. Das Publikum ist, wie schon gesagt, großartig. Zwar gibt es viele, die sich selbst darstellen, aber nur sehr wenige, die sich selbst aufdrängen. Die Preise an sich sind happig, das Bier alles andere als genießbar, dafür die Essensauswahl sehr vielfältig.

Dazu wird das Gelände mitsamt der alten Bagger insbesondere nachts wunderbar in Szene gesetzt. Im Großen und Ganzen hat sich das Melt! den Titel eines der schönsten Festivals des Landes durchaus verdient.

Klaus Porst

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