Festival-Nachbericht

Melt! Festival


Das Melt! Festival ist vorbei, doch die Erinnerung holt es immer wieder zurück: Hier ein Radiobericht, dort ein Festival-Bändchen am Handgelenk. Und jedes Mal überkommt einen ein Lächeln. Weil es so toll war. Weil man so viel erlebt hat. Weil es unvergesslich und unvergleichlich war.

Alles Schöne hat allerdings auch seine Schattenseiten. So dürften all die enttäuscht worden sein, die das Festival noch aus kleinen, alternativen Zeiten kannten. Schließlich gab es in diesem Jahr mit über 23.000 Zuschauern einen neuen Besucherrekord. Andere mussten sich damit abfinden, beim Bändchen-Tausch einige Stunden warten zu müssen. Natürlich ist so einiges schief gelaufen, beim Resümieren überwiegen dann aber für die meisten Menschen deutlich die Sonnenseiten.


Photos: Melt! at night [MjD], Flat Eric [AR], Late Of The Pier [AR]

Das merkt man, wenn man sich die Kommentare in den unterschiedlichsten Internet-Foren durchliest. Wie könnte es auch anders sein, denn wohl kaum ein anderes Festival hat eine solch beeindruckende Location zu bieten. Ein Festival-Gelände, welches von gigantischen Maschinen umgeben wird und die Besucher rund um die Uhr zum Feiern einlädt. Dazu im Kontrast der für alle zugängliche See, der vor allem nach durchtanzten Nächten eine wundervolle Möglichkeit zur Erholung bietet, sei es zum Füße kühlen oder um einfach nur am Ufer zu liegen und die glitzernde Wasseroberfläche zu beobachten.

Nicht nur die nachts eindrucksvoll beleuchteten Bagger und Kräne zogen die Blicke an sich, auch die Bühnen-Darbietungen beeindruckten oftmals so sehr, dass man nur noch staunend nach vorne schauen konnte. Die sicherlich größte Faszination hinterließ Björk. Schon beim Bühnenaufbau stieg die Spannung, als mehr und mehr bunte, mit Tieren und Zeichen bedruckte Fahnen überall aufgehangen wurden. Dann hüpfte eine Horde Mädchen in farbenprächtigen Gewändern und mit Blasinstrumenten in den Händen auf die Bühne. Die entzückende Björk folgte leichtfüßig und wirkte in ihrem gefächerten Kleid wie ein bunt gefederter Pfau, der alle bezirzte. Die Songauswahl hätte auch kaum besser sein können, wilde Technosounds brachten alle zum Tanzen, darauf folgende Bläserkompositionen verzauberten. Mit "Declare Independence!"-Rufen, berauschender Lichtshow und Glitzerkonfetti-Kanonen bot sie ein bombastisches Finale und hinterließ alle staunend und beglückt.

In ganz anderer Art imponierte Alexander Marcus, wenn man denn das Glück hatte, in den überfüllten Melt!-Club hinein gekommen zu sein. Der Meister und Erfinder der "Elektronischen Volksmusik" grinste vom ersten bis zum letzten Song übers ganze Gesicht, bot sexy Tanzeinlagen und hatte das ohnehin textsicherste Publikum. Auch schön mitgesungen wurde bei Peter Licht, der bei Regenwetter ironischerweise sein Set mit "Sonnendeck" eröffnete und die Menschen mit netten Mitmach-Aktionen bei Laune hielt. Nach ein paar Songs verzogen sich die Regenwolken und es klarte auf.

Später am Tag bekam man dafür dann aber die gesamte Ladung: Ein Unwetter türmte sich auf, es stürmte und regnete so stark, dass Wasserfälle vom Zelt-Dach der Gemini-Stage herunterrauschten. Das dort zu diesem Zeitpunkt stattfindende Friendly-Fires-Konzert musste unterbrochen werden. Aber da die Band ein paar Flaschen Freibier spendierte und ein Junge im Publikum ein kleines Mundharmonika-Konzert spielte, überstand man die Wartezeit auch ohne Strom angenehm. Und als sich das Wetter etwas beruhigt hatte, wurde das Konzert grandios zu Ende gebracht. An Stillstehen war da – wie auch beim folgenden Auftritt von Operator Please – nicht zu denken.


Photos: The Teenagers [MjD], Friendly Fires [AR], Why? [MjD]

Die wenigen Menschen, die zu Lightspeed Champion gekommen waren, wurden mit einer wundervollen Show belohnt, bei der Sänger Dev am Ende sogar gleichzeitig mit den Händen Gitarre und mit dem Hintern Keyboard spielte. Hercules & Love Affair dagegen traten trotz großem wartenden Publikum gar nicht erst auf. Nachdem die Bühne 45 Minuten lang angeblich für ihr Konzert umgebaut wurde, wunderte man sich, warum auf einmal Alter Ego ihre Platten auflegten. Die meisten Menschen waren sichtlich verwirrt und betrübt, und verstreuten sich zu großen Teilen in andere Richtungen.

Zum Beispiel zu WHY?, die den Besuchern eine traumhafte Show boten, ebenso wie die im Anschluss auf der Main-Stage spielenden Editors. Am vieldiskutierten neuen Sonntag waren Get Well Soon der deutsche Stellvertreter schöner melancholischer Musik. Was danach kam, interessierte jedoch noch mehr: Die Battles brachten Soundgetüme zu Stande, das die Münder offen stehen blieben. Und auch die folgenden Hot Chip überzeugten das tanzende und feiernde Publikum, obwohl sie selber über Soundprobleme klagten.

Wer zum The-Whitest-Boy-Alive-Konzert nicht mehr in den Melt!Club rein gekommen war, konnte dafür am Sonntag mit Erlend Øye vor der Mainstage Frisbee spielen. Und mit Los Campesinos!, die zuvor von der Bühne aus das Publikum beglückt hatten, konnte man sich gemeinsam bei Neon Neon amüsieren, die als besonderes Extra einen Typen dabei hatten, dessen Bierbauch beim Herumspringen unter dem neon-farbigen Achsel-Shirt im Takt hüpfte. The Teenagers' Sänger Quentin turnte auch viel auf der Bühne herum, sah dabei aber außerdem attraktiv aus. Und da er mit seinem sympathischen französischen Akzent immer wieder "Deutschland! Ich liebe dich!" ins Mikro rief, hatte er schnell alle Herzen erobert. Vorher hatten schon Late Of The Pier das Publikum ordentlich angeheizt. Auf der Bühne selber wurde so heftig getanzt, dass die Jungs mit den Köpfen zusammen knallten, die Mikrophone fallen ließen und schließlich sogar dem Drummer zur Abkühlung eine Flasche Wasser über schütteten.


Photos: Hot Chip [MjD], Battles [AR], Get Well Soon [MjD]

Ohnehin bot das Festival allerhand Gelegenheiten zum Tanzen. Ob bei Mr. Oizo, der Flat Eric eine Runde stagediven ließ, oder bei den Crookers, und vor allem auch bei den Acts, die morgens in der aufgehenden Sonne auf der Big Wheel Stage auflegten. Ellen Allien im Freitags-Programm und Steve Bug einen Tag später. Die spielten zur perfekten Zeit in der perfekten Location. Das Klettergerüst und die Schaukel direkt neben der Bühne boten Anreiz zum Herumtoben und die wärmenden Sonnenstrahlen belebten jeden ermüdeten Körper wieder. So tanzten alle fröhlich und forderten auch um 7:15 Uhr noch Zugaben.

Das ganze Wochenende bestand aus einer riesengroßen Party mit einzigartiger Stimmung, die es wohl nur auf dem Melt!Festival so geben kann. Und darum freuen sich die meisten Besucher jetzt schon aufs nächste Jahr, das hoffentlich nicht noch kommerzieller und größer, dafür aber etwas besser organisiert sein wird. Damit am Ende wirklich jeder glücklich und zufrieden nach Hause gehen kann.

Fotos von Marlena Julia Dorniak [MjD] und Andrew Redpath [AR]

Marlena Julia Dorniak

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