Festival-Nachbericht

Kosmostage 2015


Die Kosmostage werden im Berliner Radialsystem V abgehalten, das Andromeda Mega Express Orchestra lädt ein. Zwei Tage Jazz, Weltmusik und Freude direkt an der Spree bei herrlichstem Wetter. Das klingt vielversprechend.

Und es verspricht nicht zu viel, sondern untertreibt noch eher das tatsächlich Erlebte. Der Samstag der Kosmostage ist ein Tag voller Highlights, eigentlich ein einziger langer Flash mit nur einem Namen: Musik. Entspanntes Publikum findet sich dazu recht festlich an einem Ort zusammen, der unweigerlich an eine Mischung zwischen eigenem Abiball und irgendeiner feschen Hochzeit als Anlass erinnert. Und doch ist das Radialsystem V der perfekte Ort für genau diesen Anlass: Etwas modern ausgebautes Fabrikmäßiges mit Terrasse direkt an der Spree zum Verweilen zwischen all der Musik. Und Musik ist doch vielleicht, das zeigt sich hier, ein festlicherer Anlass als Abiball und Hochzeit zusammen. Fühlt sich zumindest im Laufe des Abends / der Nacht so an.

Den musikalischen Auftakt machen im etwas kleineren Saal "Blume", ein Jazz-Quartett aus dem Andromeda-Mega-Express-Orchestra-Umfeld, welches mit groß aufspielenden Bläsern und großartigem Bassisten Bernard Meyer einen wunderbaren Einstieg in den Flow des Abends bietet, der ab da nicht mehr abreißt. Es folgt Andi Haberl mit seinem Soloprojekt Sun. Haberl ist Schlagzeuger des Orchestras, aber auch von The Notwist und zahlreichen anderen Jazzgrößen, kurzum: Vielleicht der coolste deutsche Schlagzeuger und auch noch ein richtig cooler Typ. Das stellt er mit "Sun" auf jeden Fall nicht zur Disposition. Fünf Musiker begleiten ihn, der Auftritt ist ein erstes großes Highlight. "Sun" ist zauberhafter Free Jazz, der oft an Bands wie Do Make Say Think anrührt, heimelige, schöne Melodien, ohne jemals einer gewissen Experimentierfreudigkeit abzuschwören, mit der das Ganze dann manchmal sogar an Godspeed You! Black Emperor erinnert, und das kann man wahrlich nicht oft schreiben.

Danach tut die frische Luft gut. Weiter geht es mit einem großartig konzipierten zweiten Block, ebenfalls im Saal. Dieser ist übrigens gemütlich gehalten mit Hockern und Sitzkissen vorne, ein Ambiente, welches gerade bei diesem Set sticht. Moderator und Organisator Daniel Glatzl wünscht auf charmant trockene Art den Zuschauern "alles Mögliche" für die folgende Stunde, und er verspricht nicht zu viel. Den Auftakt macht ein schräges Trio an Harfe, Percussion und Kontrabass, bevor sich ein Chor mit mittelalterlichen Chansons in der Mitte des Saales und Lanaya mit traditioneller Musik aus Mali auf der Bühne für jeweils drei Stücke abwechseln. Dass diese so unterschiedlichen Musikarten für keine Sekunde deplatziert wirken, die Andächtigkeit, mit der die Menschen dem Chor zuhören, nur um direkt danach zu Lanaya zu tanzen und umgekehrt, zeigt, wie besonders die Stimmung ist. Dem Wechselspiel wird mit der Aufführung der "Universe Symphony" von Charles Ives aus dem Jahre 1919 noch ein Highlight draufgesetzt: Die Musiker sitzen nicht auf der Bühne, sondern rund um das Publikum verteilt. Von überall kommt Musik, kommen Geräusche, in die man sich auf den Sitzkissen völlig fallen lassen kann. Nicht wenige vergessen scheinbar, wo sie sind.

Nach kurzer Pause folgt in der Halle nun das große Konzert des Abends – das Andromeda Mega Express Orchestra gemeinsam mit ihrem Vorbild Hermeto Pascoal, mit zwei Begleitmusikern extra aus Brasilien eingeflogen. Dort ist er eine der größten Jazzlegenden. Dementsprechend aufgeregt und voller Freude sind vor allem die Musiker des Orchestras, eine Euphorie, die aufs Publikum überschwappt und zu einem gefühlt nie endenden Konzert wird. Hermeto Pascoal gibt dabei nicht selten den Dadaisten, der einfach irgendwas ins Mikrophon quatscht, auf die Tasten haut, auf einer Teekanne Trompete spielt, wild auf der Bühne umherläuft und gegen 1 Uhr, als das Konzert schon über zwei Stunden dauert, wilde, minutenlange, vom Portugiesischen ins Englische übersetzte Ansagen macht. Nach diesem Konzertrausch gibt es noch ein Bumm-Bumm-DJ-Set von Mouse On Mars, wo all die Euphorie abgezappelt werden kann.

Viel mehr Musik an einem Tag geht nicht, viel treffender könnte ein Festivalname nicht sein – die Kosmostage waren wahrlich kosmisch. Sicher nicht wenige Zuschauer gehen mit dem Gefühl nach Hause, dass viel möglich ist, wenn nur Musik da ist. Liebe Andromeda-Menschen, bitte veranstaltet immer und immer wieder Kosmostage!

Daniel Waldhuber

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