Festival-Nachbericht
Haldern Pop Festival 2015
Wir haben schon so viel darüber geschrieben, wie schön das Haldern Pop Festival ist und was es so besonders macht. Jedes Jahr fällt es daher schwerer, noch einmal neue Facetten zu finden, die man positiv hervorheben könnte. Mittlerweile ist man es einfach gewohnt, dass alles so toll ist. Es sind dann eher Randnotizen, die im Gedächtnis bleiben. Wie zum Beispiel der Landwirt, der einigen Campern seine Wiese zur Verfügung stellt, weil einfach nicht mehr genug Platz auf dem Camping-Gelände ist. Oder der Security-Mann, der beim Warten in der Schlange vor dem Spiegelzelt unaufgefordert seine komplette Lebensgeschichte erzählt. Oder die Bedienung in der Haldern Pop Bar, die während eines 15-minütigen Interviews drei Mal nachfragt, ob man noch etwas trinken möchte. In Haldern tickt man eben so und deswegen fühlt man sich auch immer so unglaublich willkommen.
Ebenfalls nicht neu ist, dass der Donnerstag bereits als vollwertiger Festival-Tag startet. Schon um 16 Uhr ging es in der Halderner Kirche los mit ersten Auftritten von Frances, Low Roar und Bear's Den. Letztere besonders eindrücklich und mit dem Stargaze-Orchester im Schlepptau, welches während des Festivals noch einige weitere Bands zusammen mit dem Cantus Domus Chor unterstützte. Auf der Biergarten-Stage folgte dann im Anschluss direkt der Auftritt eines der heißesten nationalen Newcomer: AnnenMayKantereit. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit Sänger Henning May eine moderne Version von Rio Reiser gibt. Spätestens mit dem kommenden Album sicherlich kein Geheimtipp mehr.
Bunt und vor allen Dingen abwechslungsreich ging es dann am Donnerstag auch weiter. Vorbei die Zeiten, in denen man dem Haldern Pop durchaus vorwerfen konnte, vielleicht die ein oder andere Folkband oder auch den einen oder anderen Singer/Songwriter zu viel zu buchen. Zuerst sorgten die Zwillingsschwestern von Ibeyi mit ihrer modernen Worldmusic für ausgelassene Stimmung im Spiegelzelt, die Dan Deacon dann danach direkt für seine ausgeflippte Elektro-Show zu nutzen wusste. Das Highlight des ersten Tages kam allerdings aus Wien, der momentan wahrscheinlich angesagtesten Stadt, was Indie angeht. Mit viel typischem Schmäh hatte Bilderbuch-Sänger Maurice Ernst das Publikum schnell in seiner Hand. Immer wieder "Geh'ma Haldern!" skandierend haute die Band einen Hit nach dem anderen raus. Fesch!
Bilderbuch // Photo: Marlena Julia Dorniak
Wer am nächsten Tag schon früh aus dem Zelt gebrutzelt wurde, konnte gleich wieder den Gang in die Kirche antreten. Nach einem Bach-Tribute des Stargaze-Orchesters und Cantus Domus folgte ein Talent-Triple sondergleichen. Während "andere" 18jährige sich wahrscheinlich noch vom Abi-Ball erholen, spielen SOAK (Hype coming up!), Tor Miller (eine weitere außergewöhnliche Stimme) und Låpsley (freut euch auf eine weibliche James Blake) mal eben auf dem Haldern Pop Festival.
Wesentlich älter und schon seit 25 (!) Jahren dabei ist Kultansager Hein Fokker, der nachmittags dann auch das Programm auf der Hauptbühne eröffnete. Und das hat es an diesem Festival-Freitag wirklich in sich. Die Dänen von Alcoholic Faith Mission machten den Anfang mit viel Spielfreude und bereiteten das Feld für Kate Tempest. Kaum zu glauben, dass die kindlich aussehende Rapperin und Poetin noch dieses Jahr 30 wird. Kaum zu glauben auch, dass Hip Hop so lange auf dem Haldern Pop quasi nicht existent war. Denn es wurde gebouncet und die Hände in die Luft geworfen, als gäbe es kein Morgen. Immer wieder befeuert durch die Rapsalven der Wortakrobatin. Weniger wortgewandt war da schon Olli Schulz, der aber dennoch für einige Lacher sorgen konnte. Außerdem hatte er auch noch eine wahre Allstar-Band, bestehend aus unter anderem Kat Frankie, Gisbert zu Knyphausen und Dennis Becker (unter anderem Tomte) aufgefahren.
Und dann wurde der Festival-Abend richtig groß. Die einbrechende Dunkelheit sorgte für die perfekte Untermalung des düsteren Post-Punks der Savages. Waren die Zuschauer anfangs noch etwas skeptisch, sorgten ein unglaublich dichter Sound und eine wie aufgedreht wirkende Jehnny Beth für fast schon euphorische Zustände. Die Frontfrau dürfte zudem auch die erste Person gewesen sein, die auf dem Haldern Pop crowdsurfte (und das gleich mehrfach). Danach übernahm das Erased-Tapes-Label das Ruder. Wer Bedenken hatte, dass Nils Frahm auf der Hauptbühne nicht funktionieren würde, wurde schnell eines Besseren belehrt. Ungewöhnlich tanzbar gestaltete er sein Set, ohne dabei allerdings von seiner Faszination einzubüßen. Der Mann kann offensichtlich einfach alles.
Warum ein abschließendes Elektro-Set auf der Hauptbühne einfach so dringend notwendig war, zeigten Kiasmos (siehe Foto, mit Liveunterstützung von Nils Frahm) als letzter Act des Freitags. Endlich wurde der Reitplatz nämlich mal nicht Stück für Stück leer gespielt, weil bei vielen Leuten einfach der Saft alle war und gemächlichere Musik nicht mehr die Akkus auffüllen konnte. Nein, es wurde getanzt! Und zwar so richtig und bis zur letzten Minute. Ólafur Arnalds und Janus Rasmussen hatten dabei anscheinend die Zeit ihres Lebens. Das Grinsen wollte einfach nicht für eine Sekunde aus ihren Gesichtern weichen. Gleiches galt aber auch für das Publikum. Was ein Spaß!
Am Festival-Samstag sollte dann leider nicht mehr die Musik im Mittelpunkt stehen, sondern das Wetter. Verwöhnten am Morgen und frühen Nachmittag noch die Sonnenstrahlen die Festival-Besucher, brach dann einige Stunden später buchstäblich die Hölle los. Der gefühlte Regen eines ganzen Sommers ergoss sich etliche Stunden auf den Niederrhein und kühlte nicht nur die Luft, sondern auch die Stimmung erheblich ab. Besonders in Mitleidenschaft gezogen wurden dabei die Auftritte von Father John Misty und The Slow Show auf der Hauptbühne. Selbst mit Schirm hatte man kaum eine Chance gegen die Wassermassen. Des einen Leid... Im Spiegelzelt erfreuten sich Woods Of Birnam, Steve Gunn und Tour Of Tours derweil natürlich besonderen Zuspruchs. Nur dEUS hatten am späten Abend dann das Glück, auf der großen Bühne über eine Stunde fast vollkommen ohne Regen auszukommen. Die Belgier feierten ihr 20-jähriges Bühnenbestehen mit einem schönen Set einmal quer durch die gesamte Diskographie. Sogar "Suds & Soda" wurde zum Abschluss geliefert und dementsprechend auch gefeiert. Als letzte Band durften dann noch The War On Drugs ran (natürlich wieder bei heftigem Niederschlag...). Auch Sänger Adam Granduciel hatte es die Laune offensichtlich etwas verhagelt. Mal warf er einen Teil seines Mikrofon-Ständers ins Publikum, mal seine Gitarre in den Boxenturm. Musikalisch überzeugte die Band aus Philadelphia dennoch und bereitete dem 32. Haldern Pop Festival einen würdigen Abschluss. Wir freuen uns bereits auf die Schnapszahl!
Weitere Eindrücke des Festivals erhaltet ihr in unserer Bildergalerie auf Facebook! Außerdem könnt ihr euch in den nächsten Updates auf Interviews mit Dan Deacon, Kiasmos und The Slow Show freuen.
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