Festival-Nachbericht

Haldern Pop Festival 2014


"Merkwürdig anders" lautete das Motto des diesjährigen Haldern Pop Festivals und spielt dabei auf den Vergleich zu anderen Festivals an. Tatsächlich hat sich auch die 31. Ausgabe des Haldern Pop trotz immer noch stetig wachsender Popularität den eigenen Charakter bewahrt und lässt sich nicht verbiegen. Schön, dass dies 2014 auf dem unerbittlichen Festival-Markt immer noch möglich ist.

Wenn der Kult-Holländer Hein Fokker in seinem gelben Spongebob-Shirt Bands auf der Hauptbühne ansagt, wenn in der Bäckerei Jansen die Mettbrötchen-Produktion auf Hochtouren läuft, wenn Bauern mit einer Trecker-Dusche über den Camping-Platz fahren, wenn ein neu geborenes Kalb zur Festival-Attraktion wird...dann ist Haldern-Pop-Time!

Es sind die kleinen Details, die das Festival nach wie vor so einzigartig machen. Sie alle aufzuzählen würde ewig dauern. Man muss das Haldern Pop vielleicht auch schlicht und ergreifend erlebt und gefühlt haben, um den besonderen Charme nachvollziehen zu können.

Und es sind natürlich auch die Bands und Künstler, welche die kleine Gemeinde am Niederrhein einmal im Jahr in den Fokus von Musikliebhabern in ganz Europa rücken. Nicht selten kann man hier Acts zum letzten und wahrscheinlich einzigen Mal in kleinen Locations wie dem Spiegelzelt oder der Dorfkirche live performen sehen. Fleet Foxes, Mumford & Sons, Ben Howard, Warpaint...um nur mal einige Beispiele zu nennen. Und auch dieses Jahr waren wieder einige Kandidaten dabei, die bald schon nur noch auf den ganz großen Bühnen zuhause sein könnten. The Slow Show aus Manchester beispielsweise, die mit Unterstützung des Stargaze-Orchesters einen zauberhaften Auftritt gleich am ersten Abend hinlegten. Das Debüt-Album soll bald erscheinen. Ebenso das von Benjamin Clementine, einem wirklich einzigartigen Songwriter, der allein am Piano und mit einer Ausnahmestimme gesegnet für regelrechte Gänsehautmomente sorgte. Gleiches tat Kwabena Adjepong aka Kwabs, der dem Festival einen mehr als würdigen Abschluss bescherte. Seine Mischung aus R&B, Soul und leichtem Elektro-Anstrich trifft genau den Nerv der Zeit, wie das euphorische Publikum ziemlich eindrucksvoll bestätigte.


Photo: Kwabs // Photo Credit: Marlena Julia Dorniak

Vor ein paar Jahren noch gab es einige Vorwürfe, das Line-up des Haldern Pop Festivals würde sich zu sehr auf Folk- und Singer/Songwriter-Acts konzentrieren und die Musik sei insgesamt zu ruhig und einschläfernd. Diese können spätestens nach diesem Jahr endgültig ad acta gelegt werden. Die Big Ups zelebrierten Hardcore der alten Schule (und das als Eröffnungsband auf der Biergarten-Bühne!), die Newcomer von Royal Blood entfachten mit ihrem Zwei-Mann-Lärm einen so noch nie da gewesenen Moshpit im Spiegelzelt, die Black Lips rissen selbiges mit ihrer kompromisslosen Show tags darauf fast ein und die ebenfalls brandheißen Ought ließen mit vertrackten Klängen den Geist von Television aufleben. Alles in allem hat man in Sachen Stilvielfalt ohne Zweifel noch einmal einen großen Schritt nach vorne gemacht.

Natürlich bleiben aber die Indie-Folk-Bands das Aushängeschild des Haldern Pop. Und warum auch nicht, wenn die Auftritte weiterhin so großartig bleiben wie in diesem Jahr? Da kommt dann plötzlich eine Band wie The Districts um die Ecke, die vorher keiner auf der Rechnung hatte und nach fünfundvierzig schweißtreibenden Minuten hat man dann auf einmal eine neue Lieblingsband auf dem Zettel. Auch die Iren von All The Luck In The World, deren Landsmann Hozier oder Boy & Bear aus Down Under sind so Beispiele für "typischen" Haldern-Sound. Das ist aber keinesfalls negativ zu verstehen. Alles qualitativ hochwertige Bands, die einfach perfekt in dieses Festival passen.

Und dann waren da auch noch die alten Haudegen. Bei all den Neuentdeckungen, die das Haldern Pop bietet, muss schließlich ein Gegengewicht geboten werden. Conor Oberst ist zwar noch nicht so alt, aber schon gefühlt ewig dabei. Auch er hat auf dem Haldern mal ganz klein angefangen, dieses Mal stand er zur besten Zeit auf der Hauptbühne und verzückte seine Fans, die all die Jahre zu ihm gehalten haben mit einem Best-Of seiner stärksten Songs. Mit Patti Smith konnte man darüber hinaus sogar eine echte Legende verpflichten, die ihre Show routiniert durchzog und vor allen Dingen bei den älteren Semestern natürlich sehr gut ankam. Für das absolute Highlight des Wochenendes sorgte aber Mark Kozelek mit seiner Formation Sun Kil Moon am späten Samstag-Abend bei einer der ganz seltenen Gelegenheiten ihn in Deutschland live zu sehen. Er ist halt immer noch der beste Geschichten-Erzähler unter den Singer/Songwritern und außerdem noch ein verdammt sympathischer Kerl obendrauf. Dass er "Carry Me Ohio" nicht spielte angesichts der unglaublich intensiven Atmosphäre während seiner Show, geschenkt.

Das Festival ist gerade erst vorbei und schon ist man gespannt, wer nächstes Jahr auftreten wird, auch wenn die Nennung der Namen wahrscheinlich traditionell wieder viele Fragezeichen aufwerfen wird. Man muss allerdings keine Zweifel haben, dass daraus dann keine dicke Ausrufezeichen werden. Denn in dieser Hinsicht ist das Haldern Pop so berechenbar wie kein anderes Festival. Merkwürdig anders, aber einzigartig gut.

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Benjamin Köhler

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