Festival-Nachbericht

FM4 Frequency 2015


Das Frequency Festival im österreichischen St. Pölten ist auf der deutschsprachigen Festivallandkarte gar nicht mal so präsent und steht im Schatten seines größeren Bruders Novarock. Dennoch schaffen es die Veranstalter Jahr um Jahr, hochklassige deutschsprachige und vor allem internationale Acts an Land zu ziehen. Von Casper über The Prodigy und The Offspring bis hin zu Kendrick Lamar und Linkin Park war das auch in diesem Jahr wieder der Fall.

Doch beginnen wir von vorne. Die Campingsituation war gemeinhin ein Problemthema. Wer nicht gerade einen Comfort-Camping-Pass oder Presse-Ausweis besaß, hatte große Probleme auf den überfüllten Wiesen einen Zeltplatz zu ergattern. Andere Besucher berichteten davon, dass nur eine Anreise am Mittwochmittag die Chance auf einen realen Zeltplatz wahrte. Doch das ist auch schon der größte Kritikpunkt. Insgesamt bestach die 15. Jubiläumsausgabe des Frequency Festivals durch gut gelaunte Menschen und eine durchwachsene bis sonnige Wettersituation (was gerade in diesem Sommer sehr erwähnenswert ist).

Bereits am ersten Nachmittag standen mit Alt-J, Cortney Barnett, José Gonzalez und den Mighty Oaks tolle Indie-Künstler auf dem Programm, die am Abend dann von einer großen Prise megalomanischem Pop, Hip-Hop und Drum'n'Bass abgelöst wurden. Die Rap-Anarchisten von K.I.Z. trugen ihre Botschaft einer neuen Gesellschaftsutopie gemeinsam mit ihrem "Hurensohn"-Jubiläums-Gospel über die Landesgrenzen hinaus und sorgten mit letzterem gleichzeitig für DEN Ohrwurm des Festivalwochenendes. Nach einem souveränen und völlig unaufgeregt hitgeschwängerten Auftritt von Ellie Goulding durfte dann Genrekollege Casper ran, schaffte es aber nicht so richtig, die Menge zu begeistern. Der Sound war stellenweise viel zu leise und die Mitsingbereitschaft des jungen Publikums erstaunlich gering. Ein Highlight sollte der Auftritt jedoch kredenzen: Gemeinsam mit Nico und Maxim von K.I.Z. gab Casper den Buttocks-Klassiker "BGS GSG" zum Besten und weckte die die Neuigierde ein letztes mal.

Die Highlights am Freitag verteilten sich auf verschiedene Bühnen und Tagsezeiten. Ein sehr besonnener und in sich ruhender William Fitzsimmons versprühte am frühen Nachmittag Liebe und Melancholie auf eine viel zu überschaubare Menschenmenge. An gleicher Stelle wurde es zwei Stunden später bei den Wombats schon etwas voller und wesentlich tanzbarer. Auf einem überraschend späten Slot erhielt der Londoner Soul-Barde Kwabs die Chance, sich einem größeren Publikum vorzustellen. Mit einem sehr energetischen Auftritt gelang es dem Briten, seine einzigartige Stimmgewalt auch live zu entfalten. Und als hätten die Veranstalter nach dem größtmöglichen Bruch gesucht, durften danach die Pop-Punks von Offspring ran und bewiesen, dass (obschon auch hier der Sound durchaus etwas mehr Wumms vertragen hätte) Klassiker wie "Why Don't You Get A Job?" oder "Pretty Fly For A White Guy" auch bei nachfolgenden Generationen noch problemlos funktionieren. Das bestätigten anschließend ebenfalls (allerdings mit wesentlich mehr Wumms und einer gigantischen, größenwahnsinnigen Show) The Prodigy und entließen das Feiervolk am Rande eines epileptischen Anfalls in die Nacht oder wahlweise in den Night Park.

Am nächsten Tag gab es wieder Besuch aus Deutschland. Alligatoah brachte Battleboi Basti mit und verpackte seine epischen Rap-Märchen in eine ebenso epische und dramaturgisch perfekt inszenierte Bühnenshow. Weniger dramaturgisch inszeniert, aber ebenso episch ging es dann bei TV On The Radio weiter. Die Indie-Bande aus Brooklyn hatte Spaß und ließ sich nicht anmerken, dass nur eine Handvoll Leute vor der Bühne erschienen war. Und dann kam er: Kendrick. Die bessere Alternative zu Kanye West (wie wir seit dem diesjährigen Glastonbury wissen). Der Rapper der Stunde, der den Finger in die Wunde des amerikanischen Zeitgeistes legt, erschien im lockeren Hoodie und sichtlich gelöst auf der Bühne. Live-Band, Video-Animationen und die auch live überzeugend dargebotenen Rap-Skills ließen keinen Wunsch offen. Kendrick erfüllte die riesigen Erwartungen an seine Person mit aller Lockerheit und dürfte sicher ein Kandidat für größere Festivals in den nächsten Jahren werden. Glastonbury, anyone? Interpol wiederum lieferten einen soliden Auftritt ab und machten für einen kurzen Moment deutlich, wie Joy Division im Jahre 2015 klingen könnten. Paul Banks jedenfalls war so nah an Ian Curtis wie selten zuvor.

An niemanden außer sich selbst erinnerten hingegen Linkin Park. Dezent gealtert riss die Band um Sänger Chester Bennington und Mastermind Mike Shinoda ein Nu-Metal-Feuerwerk der Extraklasse ab. Party like it's 2000. Mit einer Rapid-Wien-Flagge, eigenen Hits und Songs aus Shinodas Nebenprojekt Fort Minor im Gepäck ließ die Band aber mal so gar nichts anbrennen und überzeugte auch den letzten Skeptiker.

Das Frequency Festival ist empfehlenswert für jeden, den eine mehrstündige Anreise nicht abschreckt oder alle Bayern und Österreicher sowieso. Neben jährlich guten Line-ups besticht das Festival durch das besonders grüne und nachhaltige Konzept "Green Stage", das es sich näher anzuschauen lohnt. So können beispielsweise leere Bierdosen gegen Wertmarken eingetauscht werden, für die man auf dem Festival ein neues Getränk erhält oder es werden liegengebliebene Zelte Obdachlosen gespendet. Insgesamt, wie das ganze Festival, eine mehr als runde und sinnvolle Geschichte.

Andreas Peters

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