Festival-Nachbericht

Dockville Festival


Man hatte sich beim Dockville Festival 2011 im Vorfeld auf vieles eingestellt – grauen Himmel, Nieselregen, Wind, vielleicht ein bisschen Hagel. Auf typisches Hamburger Wetter eben, das einem als leidgeprüftem Norddeutschen nicht wirklich die Laune verderben kann. Was am Freitag, den 14.08. tatsächlich statt fand, war sogar dem Deutschen Wetterdienst eine Unwetterwarnung wert: Stundenlanger Starkregen, den vorauszusehen niemand in der Lage gewesen war.

Vorbereitungen werden getroffen: Neue Schirme und Regencapes gekauft, Müllsäcke eingepackt. In der gesamten Hamburger Innenstadt sind Gummistiefel innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Regelmäßig wird online gecheckt, ob das Festival vielleicht sogar abgesagt werden muss. Muss es nicht, aber laut Veranstaltern war es zwischendurch fast so weit. Lediglich die Nebenbühne Maschinenraum fällt dem Regen zum Opfer und muss zumindest am Freitag geschlossen werden.

Der Begriff Muddyville bzw. Matschville macht noch vor Festivalbeginn die Runde. Als Hamburger kann man dankbar sein – egal, wie schlimm es wird: Das Bett zu Hause ist warm und trocken. Den 8.000 angereisten Campern geht es hingegen weniger gut: Der Zeltplatz versinkt nicht weniger im Schlamm als der Rest des Geländes. Problematisch ist auch die Einlasssituation in diesem Jahr. Der Weg zu den Kassen beziehungsweise zum Bändchenzelt führt nicht neben der schmalen Teerstraße entlang, wie im letzten Jahr, sondern liegt am unteren Bereich des Deiches. Um dorthin zu gelangen, müssen alle Besucher über eine schmale Holztreppe klettern. Das führt einerseits zu stundenlangem Anstehen, andererseits zu einem unguten Gefühl. Und unten angekommen wartet einer der schlammigsten Bereiche des ganzen Geländes. Unangenehm.

Das Gelände selbst sieht schlimmer aus als alles, was man in den letzten Jahren auf Festivals so erlebt hat. Ohne Gummistiefel geht praktisch gar nichts, das Ganze erinnert an einen überfluteten Acker. Während Those Dancing Days ihren Gute-Laune-Pop verbreiten, stecken wir noch im Schlamm. Zu Andreas Dorau haben wir es dann aber zur kleineren der beiden großen Bühnen, dem Vorschot, geschafft. Hier ist der Matsch übrigens am schlimmsten, weil das Gelände etwas tiefer in einem bewaldeten Stück liegt – ein Zustand, der in den nächsten beiden Tagen nicht besser werden wird. Immerhin: Regnen tut es am Freitag nicht mehr. Dorau zieht eine Three-men-Schlagzeug-Laptop-Nummer ab und beweist, dass er auch 20 Jahre nach "Fred Vom Jupiter" noch eingefleischte Fans hat. Der Sound ist allerdings eher mau. Später lassen sich Egotronic von den tanzwütigen Massen feiern und die Editors ziehen routiniert ihre ganz große Show ab. Das ist schon ziemlich bombastisch, gar keine Frage. Interessant übrigens: Aller Matsch hält das sehr jugendliche Publikum nicht vom Auftragen des perfekt durchgestylten Hipster-Outfits ab. Day One: Done.

Der Samstag lockt mit unerwartetem Sonnenschein. Nichtsdestotrotz (oder gerade deswegen) finden wir erst gegen Abend den Weg zurück aufs Festivalgelände. Es ist unverändert matschig und dank Sonne stinkt es so ähnlich wie ein Güllehaufen (und sieht auch so aus). Naja, so kann man auch ein bisschen ländliches Feeling in der Großstadt bekommen. Wild Beasts sind und bleiben gewöhnungsbedürftig, liefern aber eine musikalisch perfekte – wenn auch etwas unspektakuläre – Show ab. Unspektakulär gibt es bei den Goldenen Zitronen hingegen nicht. Das ist schließlich kein Spaßprogramm, sondern Polit-Kunst. Verwirrte Gesichter bei der U20-Fraktion.

Wer zornige und glückliche Gesichter gleich nebeneinander sehen will, geht lieber rüber zur großen Bühne zu Casper. Ja, der gute Herr polarisiert. Ganz großes musikalisches Kino für die einen, Geräuschbelästigung für die anderen. "Malle-Raps", schreibt der Spiegel. Irgendwo hat er recht. Einiger ist man sich hingegen bei den Crystal Castles: Hallo, tanzen! Eigentlich ist es noch viel zu früh für so viel Elektro. Santigold, der letzte große Act am Abend, wird der große Überraschungshit: Mit netter Bühnenshow inklusive lustig verkleideter Tänzer, viel Energie und dieser unfassbaren Stimme gibt's einen wunderbaren Abschluss.

Am Sonntagmorgen die böse Überraschung: Es regnet und zwar fast genauso wie am Freitag. Viele Hamburger entscheiden sich, sich den letzten Tag gleich ganz zu schenken und den Regen lieber vom heimischen Sofa aus zu beobachten. Aber wir wollen zu Noah and The Whale, unbedingt. Außerdem waren die Regenschirme bisher viel zu wenig im Einsatz. Also auf Richtung Wilhelmsburg: Pünktlich zum Auftritt der britischen Lieblings-Popper lässt der Regen nach. Die haben übrigens einen viel zu frühen Slot bekommen: Es ist erst 16.20, das Wetter stinkt, der Matsch auch, aber vor der Bühne ist es voll und die Stimmung ausgelassen. "Heimlicher Headliner" nennt man sowas. Und pünktlich zu "Tonight's The Kind of Night" kommt dann auch noch die Sonne raus. Ein kleiner Trost für die geschundene Dockville-Seele.

Leider setzt der Regen in altbewährter Manie pünktlich zu The Pains Of Being Pure At Heart wieder ein. Die sind eh eine überflüssige Hype-Band und drei Tage Festival machen mürbe. Also: Feierabend. Mit uns Richtung Hauptbahnhof strömen Massen an Campern, die nach drei Tagen Höchstbelastung schließlich aufgegeben haben und völlig durchgeweicht sind. Möge das Wetter 2012 zumindest nicht ganz so fies werden. Immerhin: Schlimmer geht's nimmer.

Lisa Krichel

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