Rezension

Tool

Fear Inoculum


Highlights: Invincible // Descending // Pneuma
Genre: Progressive Rock // Progressive Metal
Sounds Like: A Perfect Circle // Puscifer // Porcupine Tree // Oceansize // Monkey3

VÖ: 30.08.2019

13 Jahre Warten und nun ist die Musikwelt um einen Running Gag ärmer: Der albumgewordene BER hat es also wirklich bis zur Fertigstellung geschafft. Wobei erstmal nur die wenigsten „Fear Inoculum“ wirklich in den Händen halten werden. Zunächst erscheint nur eine Special Edition mit Tool-typischen Gimmicks; dieses Mal ist es ein eingebauter Videobildschirm samt Lautsprecher. Ärgerlich ist dabei durchaus der „Special Price“ der Angelegenheit, welcher dazu führt, dass ausgerechnet Tool, von denen bis Anfang 2019 kein Song offiziell zu streamen war, ein Album herausbringen, welches vorerst nahezu ausschließlich gestreamt werden wird.

Lassen wir also das Paket beiseite und schauen auf den Inhalt: Auch hier stiften die Kalifornier Verwirrung. Die physische Variante umfasst sieben Titel, dazu stehen drei Interludes zum Download bereit. Eine gute Sache, denn die drei kurzen Zwischenspiele „Litanie Contre La Peur“, „Legion Inoculant“ und „Mockingbeat“ sind bestenfalls verzichtbar, bisweilen sogar nervend. Musste man die teils anstrengenden Interludes bisheriger Alben immer über sich ergehen lassen, gibt es nun also die Wahl, sich einfach auf die sechs neuen Komplettsongs mit jeweils über zehn Minuten Spielzeit zu konzentrieren. Was in dieser Aufzählung noch fehlt, ist „Chocolate Chip Trip“, ein Vierminüter, der neben etwas Elektrogefrickel vor allem daraus besteht, Danny Careys eindrucksvolle Fähigkeiten am Schlagzeug zu demonstrieren.

Bleiben der Titeltrack, „Pneuma“, „Invincible“, „Descending“, „Culling Voices“, „7empest“ und die Erkenntnis, was Tool hier tun: Sie spielen Tool. Jene, die nach 13 Jahren noch einmal etwas Innovatives erwartet hatten, wird „Fear Inoculum“ ziemlich enttäuschen. Die Vorabsingle „Fear Inoculum“ deutete es schon an: Hier wurde viel nach dem Baukastenschema gearbeitet. Bekanntes Riffing von der „Lateralus“ hier, die (schon schönen) Tribaldrums der „Pushit-Salival-Version“ dort, ein angeklebter, an „Right In Two“ erinnernder Djent-ähnlicher Ausbruch zum Ende und schon sind die zwölf Minuten im Flug vorbei und der Fan-Service erfüllt. Muss es mehr sein? Nach all dieser Zeit? Bei einer solchen Band? Daran werden sich die Geister scheiden.

„Pneuma“ weist ein markantes Signature-Riff auf, welches den Song wie einen roten Faden trägt, auch hier hängt am Ende des Stückes der harte Ausbruch hinten dran. Ebenso bei „Invincible“ und „Descending“: Wenn man dem Quartett hier musikalisch etwas vorwerfen kann, dann, dass nahezu jedes Stück gleich endet. Die jeweiligen Ausbrüche sind so angelegt, dass man die letzten zwei, drei Minuten auch flexibel tauschen kann. Davon ab sind das aber echte Luxusprobleme, denn rein technisch sind Tool hier in Hochform. Die Strukturen sind wie gewohnt komplex und wenn man eben so ein Gitarrenriff hören kann, wie nach etwa vier Minuten „Invincible“, dann entschädigt das für so manche Wartezeit.

Auffällig ist, wie zurückgenommen Sänger Maynard James Keenan agiert. Ist er live durchaus noch in der Lage, den alten Zorn von „Aenema“, „46&2“ oder „Vicarious“ auf die Bühne zu bringen, fügt er sich hier lediglich mit seiner wunderbaren, cleanen Singstimme ein. „Culling Voices“ ist stimmlich sogar näher an seinem Projekt A Perfect Circle als an den älteren Tool-Songs. Eine Ausnahme bietet hier, wie auch generell, „7empest“, bei dem sowohl Keenan als auch der Rest der Band an härtere Tage anknüpfen und in einer Viertelstunde doch recht ordentlich knüppeln.

Im Fazit ist „Fear Inoculum“ sicher kein Album des Jahrzehnts, jedoch auch zu keinem Punkt ein Ausfall. Weniger schwarz-weiß-gesehen liefern Tool hier einfach knapp 80 Minuten neues Material, welches jene, die auf sie gewartet haben, rundum zufriedenstellen wird. Aufgrund der Länge sind es weniger ganze Songs, die hier als Highlights zu nennen sind, sondern vor allem einzelne Momente. Hier ein großartiges Riff, hier eine wunderschöne Melodiespur, dort das aberwitzige Drumming Careys. Ob "Fear Inoculum" im Grunde auch aus einem einzigen Song hätte bestehen können? Gut denkbar.

Klaus Porst

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