Rezension

The Roots

Game Theory


Highlights: Here I Come
Genre: Rap
Sounds Like: Common // Kanye West // Mos Def

VÖ: 01.09.2006

Neue Alben der Roots kommen mit einer schönen Regelmäßigkeit auf den Markt. Wo „Phrenology“ inklusive des blues-souligen Überhits „The Seed 2.0“ – der von der Experimentierfreude des restlichen Albums ablenkte – heiß erwartet worden war, überraschte „The Tipping Point“ durch Zeitnähe und durch geänderte Herangehensweise. Statt Live-Charakter standen synthetisierte Beats und Sounds im Vordergrund.

Auch „Game Theory“ erscheint zeitlich nah am Vorgänger, doch täuscht das, sind doch zwei Jahre ins Land gegangen. Stilistisch zumindest liegt die „Spieltheorie“ im Mittelpunkt aus „The Seed 2.0“ und „The Tipping Point“. Alles wird getragen von ?uestloves organischem Schlagzeug, das jedoch zeitweise durch die von „Tipping Point“ bekannten Spielereien ergänzt wird. Dazu finden sich überall die Gitarren-Ideen und -Samples, die auch Seed 2.0 mit Cody Chesnutt zum Hit machten.

Insofern liefert „Game Theory“ all das, was zu erwarten war, und was gewünscht war. Dennoch bleibt ein zwiespältiges Gefühl. Ich muss dieses Album nicht hören, ich kann auch einen Mix aus „Things Fall Apart“, „Tipping Point“ und „Phrenology“ erstellen, verpassen täte ich kaum was.

Natürlich hat auch der neue Tonträger seine starken Momente: „Can’t Stop This“ in Erinnerung an J Dilla, auf über acht Minuten ausgewalzt ein Abgesang in Überlänge, der durch grandiose Beatbasteleien und die damit korrespondierenden Raps Black Thoughts gewinnt. Dazu kommt „Clock With No Hands“, back to the roots, jazzlastig mit weiblichem Chorgesang – Erinnerungen an Erykah werden wach – erwecken Black Thoughts Lyrics den Terror in einem drogenabhängigen Gehirn zum Leben. „Long Time“ – als übliche Philly-(Philadelphia)-Hymne – überzeugt sowohl durch Thought in Höchstform als auch die Gast-Lyrics von Peedi Peedi, reiht sich aber über das Roots’sche Schaffen der letzten Jahre betrachtet doch nur im oberen Mittelfeld ein. Düster bedrohlich erhebt sich in „In The Music“ (feat. Malik B. und Porn), besonders Porn’s Chorus-Performance überzeugt beängstigend.

„Atonement“ allerdings – inklusive Radiohead-Sample – gerät arg (staats-)tragend, schleicht sich dahin und verdient es, aufgebohrt und vertieft zu werden. Ein Beck’hafter Track wie „Livin’ In A New World“ wiederum drängt sich in die Ecke und darf sich nicht entfalten. An „Take It There“ lässt sich vor allem die „Spoken Work“-Performance zur Mitte hin erwähnen

Ob „Baby“ nun positiver- oder negativer-weise in die „Seed 2.0“-Falle läuft, sollte man mit sich selber ausmachen. Es gefällt! Aber … egal. In eine ähnliche Richtung geht „Don’t Feel Right“, siegt aber über die Gefahr all zu tief in bekannte Fahrwasser abzudriften, und ergibt den „radiotauglichen“ Hit des Albums.

Den Knaller des Albums bildet sicherlich „Here I Come“ (featuring Dice Raw und Malik B.). ?uestloves Schlagzeug, Kamals „Futurejazz“ Synthesizer, und insbesondere Dice Raws Vocals, ergeben einen stramm nach vorne stampfenden Sturm-und-Drang Track, der einen wegfegt. Auch der Titeltrack „Game Theory“, der sich um ein Sly Stone Sample aufbaut, überzeugt durch Jazzyness, Soulfullness und die nötige Härte des Schlagwerks in Verbindung mit den paranoiden Raps von Malik B. und Black Thought. Verfolgungswahn und die reale und empfundene Gefährdung von außen und innen im Jahre fünf nach 9/11 sind überhaupt ein Thema des Albums. Bereits „False Media“ – der zweite Track des Albums – intoniert sie mittels düsterem „Spoken Word“ und reduzierter bedrohlicher Instrumentierung.

Insgesamt ist das Album also durchaus empfehlenswert, doch immer mit dem großen Aber im Hinterkopf: Braucht man es wirklich …?

Oliver Bothe

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