Rezension

The Late Call

You Already Have A Home


Highlights: Fribourg // Your Whisper In My Ear // Don't Leave Me Here // Nevermore
Genre: Singer-Songwriter // Kammerpop // Folk
Sounds Like: Loney Dear // Kings Of Convenience // Jens Lekman // The Miserable Rich // Horse Feathers // Sufjan Stevens // Ferraby Lionheart // Leif Vollebekk

VÖ: 22.10.2010

Im Singer-Songwriter-Genre den Überblick zu behalten, ist wahrlich keine leichte Sache. Die Zahl an Veröffentlichungen aus diesem Bereich ist einfach viel zu groß, als dass man alles im Auge behalten könnte. Einer diese Künstler, die man aber keineswegs übersehen sollte, ist Johannes Mayer, der unter dem Namen „The Late Call“ soeben sein zweites Album „You Already have A Home“ auf den Markt gebracht hat. Mit seinem feinen Kammerpop zeigt uns der in Stockholm wohnende Münsteraner, wie wenig es im Grunde für einen guten Song braucht.

Doch es sind nicht nur die Songs an sich, die hier zu gefallen wissen. Es ist vor allem auch die Art und Weise, in der sie vorgetragen werden. Die Instrumentierung dient hier keineswegs nur dem Auffüllen leerer Räume. Vielmehr hilft sie bei der Strukturierung der Songs, dient der passenden Ausgestaltung der Strophen und erzeugt in den entscheidenden Momenten die Dynamik, die es braucht, damit die Songs spannend bleiben. Dabei beschränken sich The Late Call aber nicht auf simple, auf das Ende ausgerichtete Spannungsbögen – es sind sich aufbäumende Wellen, die wunderbar mit Johannes Mayers Lyrik korrelieren. In Wogen entlädt sich der emotionale Ballast, den er sich hier mit einfachen und ehrlichen Worten von der Seele singt. Sei es die Klarinette in „Your Whisper In My Ear“ oder der Bläsersatz im zuversichtlichen „Fribourg“, Mayer versteht sich stets auf einen angemessenen Einsatz der verschiedenen Instrumente.

Und dann ist da noch diese Stimme, bei der man überraschenderweise immer wieder an Chris Martin denken muss, obwohl er musikalisch inzwischen kaum weiter vom intimen Kammerpop der Schweden entfernt sein könnte. „Don’t Leave Me Here“ gewinnt einen mit seiner Arcade-Fire-Reminiszenz im Streichersatz direkt für sich. Bei „Nevermore“ fällt einem Mayers gefühlvolle Phrasierung auf, die dem Song eine solch emotionale Durchschlagskraft gibt, dass man einfach zuhören muss. Jeder Song dieses Albums besitzt eines dieser feinen Details, die einen bei jedem Hören erneut erfreuen. Freilich betritt Johannes Mayer auf „You Already Have A Home“ kaum musikalisches Neuland, doch das Album ist einfach viel zu schön, als dass man sich groß Gedanken über solche Fragen machen würde. „You Already Have A Home“ bietet durchweg Songwriting auf hohem Niveau und strahlt bei all der Professionalität, mit der hier vorgegangen wird, eine solche Leidenschaft beim Musizieren aus, dass es einen unmöglich kalt lassen kann. Bei all der Melancholie, die aus seinen Texten spricht, versinkt „You Already Have A Home“ nicht in traurigen Gedanken, sondern bewahrt Haltung und strahlt eine zuversichtliche Klarheit aus. Johannnes Mayer hat uns genau das Album beschert, das man in diesen immer ungemütlicher werdenden Herbsttagen braucht.

Kilian Braungart

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