Rezension

Scissor Sisters

Ta-Dah


Highlights: She's My Man // Land of A Thousand Words // Intermission
Genre: Disko
Sounds Like: Elton John // Bee Gees // Goldfrapp

VÖ: 15.09.2006

Ob es Zufall oder Plan war, dass Elton Johns „The Captain & The Kid“ in der gleiche Woche erschien wie das zweite Scissor Sisters Album „Ta-Dah“? In jedem Fall darf der Großmeister des schwulen und überkandidelten pfauengeschmückten Pops auch Writing-Credits für den Eröffnungstrack und erste – totgenudelte? – Single „I Don’t Feel Like Dancin’“ für sich beanspruchen.

Überhaupt klingen viele – um nicht von allen zu reden – Songs auf Ta-Dah, als habe Elton John oder einer der Brüder Gibbs seiner Finger im Spiel gehabt. Verallgemeinerter gesprochen, hört sich dieses Album an, als seien es verschollene Bänder aus den 70er Jahren, die neu aufbereitet auf CD gepresst wurden, doch … alles neu, alles frisch. Die Fans der ersten Stunde werden dies bedauern, sie werden an all dem Glamour, dem uneingeschränkten Hedonismus, dieser abbaesken Musicalattitüde verzweifeln. Sie werden fluchen und die CD zerkratzen. Wo sind die Beats, die House-Anklänge, wo ist das alles?

Nicht da, und das ist gut so – und vor allem ist es gewollt. OK, „Kiss You Off“ enthält noch Synthesizer und Beats, aber selbst hier klingt das alles, wie aus den späten Siebzigern oder frühen Achtzigern. Hätten Blondie und die Bee Gees zusammengearbeitet, das wäre vielleicht herausgekommen. Ja, auch der Spaßsong „Paul McCartney“ wird mittels Electrorhythmus zum Highspeedfunk angetrieben, aber es fällt kaum auf.

Insgesamt ist dieses Album purer Retro und als solcher reiner Pop und Mainstream. Dass einige Indie-Kinder und ältere Alternative es dennoch gerne hören, mögen müssen, mag zum einen mit der Glaubhaftigkeit des Debüts zusammenhängen, zum anderen aber erlaubt eben diese es, sich hier hingebungsvoll und ohne größere Bauchschmerzen dem Kitsch, der verbotenen billigen Plastikmusik hinzugeben, etwas was beim Schreiber schon beim Soundtrack zu „Almost Famous“ sehr gut funktionierte – und selbst bei dem zu „The Last Days of Disco“. Die Scissor Sisters wollen den Erfolg und haben ein Rezept dafür gefunden. Das mag zu peinlich sein, um cool zu sein, aber „es gibt nur cool und uncool und wie man sich fühlt“. Das sollte zwar eigentlich in einen anderen Text, aber auch hier passt es. Das Album ist für all die, denen das Oldie-Radio einen Ausweg bietet im Formateinerlei, für die, die sich freuen, Musik zu mögen, die erfolgreich ist, und sich nicht schämen, wenn im REWE um die Ecke „Don’t Feel Like Dancin’“ zum Kauf von Toilettenpapier animieren soll. In den Worten der Band, liest sich das wie, sie wollten möglichst nur die Mittel einsetzen, die schon bei Originalen eingesetzt wurden, wobei Originale heißt, „wir zitieren alles und jeden“, „da ist nichts, was uns heilig ist“ und „es geht doch um die Ursprünge“. Wobei: „Natürlich hoffe ich, dass wir das, was wir da finden, so einsetzen, dass es letztendlich dann doch frisch klingt“ (alle Zitate aus einem Gespräch mit der Spex).

In dem zitierten Gespräch wird auch das Fazit einer jeden Rezension zu diesem Album vorweggenommen, indem auf die Frage nach möglichem Kitsch und Cheesyness Vorwurf geantwortet wird, wir – also Du und ich – sollten den Stock aus dem Arsch ziehen. Also auf, zieh ihn raus, kleide Dich in Deinen weißen Anzug und die passenden Tanzschuhe und auf zum John Travolta Gedächtnisfest.

Oliver Bothe

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