Rezension

Santogold

Santogold


Highlights: L.E.S. Artistes // Lights Out // Unstoppable // You'll Find A Way (Switch and Sinden Remix)
Genre: Pop
Sounds Like: Arctic Monkeys // M.I.A. // Gwen Stefani // Diplo // Annie

VÖ: 09.05.2008

Sie schreit uns an, sie säuselt in unser Ohr. Zwischen Punk und Funk, zwischen Dub und Pop, zwischen Wave und was auch immer mischt Santi White aka Santogold mit ihren Kollaborateuren (Diplo, Spank Rock, Switch, Freq Nasty etc.) ein erstaunliches Popalbum. Denn Pop sind die zwölf Stücke auf dem selbst betitelten Debüt allesamt. Da mag die Sängerin kreischen, rappen, singen und schreien.

Die Ratlosigkeit des Rezensenten führt bei der wilden, aber in sich verblüffend konsistenten Mixtur, die uns da um die Ohren gehauen wird, automatisch zu Vergleichen wie „Arctic Monkeys treffen M.I.A.“ oder „Gwen Stefani wird von Diplo produziert“. Referenzen, die in sich in die Irre führen, suggerieren sie doch eine Außergewöhnlichkeit, eine Ausweitung kreativer Kampfzonen, die das Album nicht besitzt, aber eben auch gar nicht anstrebt.

Ex-Punksängerin, Ex-Songwriterin für Lily Allen und Ashlee Simpson, jetzt Solo-Künstlerin. Das Talent stimmt, der Erfolg – zumindest in den Blogs – auch schon mal. Jetzt also das Debütalbum. Apropos die Blogs: Nimmt man die musikalischen Weblogbücher als Ausgangspunkt, so ist heute hip, was entweder rückwärtsgewandt „retro“ daherkommt oder aber futuristisch nach vorne schauend erscheint. Natürlich, zwischen Arctic Monkeys und Justin Timberlake lässt sich das so auch in den Charts ablesen, doch geben Bonde Do Role und Last Shadow Puppets da doch die überzeugenderen, weniger erfolgreichen Eckpunkte. Hip wiederum muss sein – wird suggeriert – wer im Dschungel der Großstadt Erfolg haben will. Großstadt heißt real Tokio, London, New York und „fake“ Berlin, Hamburg, München. Letztere Beispiele zeigen an allen Ecken, wie schnell „up to date“ in Sch… umschlagen kann.

Was das mit Santogolds Album zu tun hat? Tschuldigung. Sehr viel. Denn wenn ein Adjektiv auf „Santogold“ zutrifft, dann „großstädtisch“. Die zwölf Tracks vermischen in unterschiedlichem Maße alles, was in den so genannten 00er Jahren bisher jemals „in“ war. Böswillig ließe sich während des Hörens eine Liste abarbeiten, auf der zwischen The Strokes, Pete Doherty, Kanye West, Daft Punk, Amy Winehouse und den Arctic Monkeys jeder Hype der letzten acht Jahre zu finden ist. Eine solche Beschreibung klingt natürlich sehr nach dem Vorwurf, Santogold kopiere einfach. Das ist jedoch etwas, das gerade nicht der Fall ist. Vielmehr besitzt die Künstlerin das erstaunliche Talent, diese verschiedenen angesagten Sounds (Klangstrukturen) – mit Hilfe Diplos und anderer – in unglaubliche, äußerst zeitgemäße und absolut eigenständige Popsongs zu gießen.

Jeder der Songs auf „Santogold“ integriert dabei eine solche Vielfalt dieser Klänge, dass Versuche der Kategorisierung scheitern müssen. Mag „Shove It“ noch so nach Ska klingen, mögen Spank Rocks Raps es noch so in Richtung HipHop schieben, am Ende ragt es doch über beides hinaus. Ebenso „I’m A Lady“, einerseits No-Doubt-Ballade, andererseits doch dank Trouble Andrew mehr. Oder „Lights Out“, zuckerschocksüß und doch fantastisch. Und so weiter und so fort. So entsteht ein Gesamteindruck, der tatsächlich am ehesten als Soundtrack der Großstadt im Jahre 2008 erscheint. Die Hypemaschine hat Santogold zwar schon fast wieder abgehängt, aber zu den interessanteren (Debüt-)Alben des Frühjahrs gehört Santi Whites erster Longplayer sicher.

Oliver Bothe

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