Rezension

Richmond Fontaine

We Used To Think The Freeway Sounded Like A River


Highlights: You Can Move Back Here // The Boyfriends // Ruby & Lou
Genre: Alt-Country // Rock
Sounds Like: Wilco // Drive-By Truckers // Ben Kweller // Ryan Adams // The Hold Steady

VÖ: 28.08.2009

„14 songs written around and about the Pacific Northwest“ ist das achte Studioalbum der amerikanischen Alt-Country-Band Richmond Fontaine namens “We Used To Think The Freeway Sounded Like A River” untertitelt. Der Schauplatz, an dem sich alles abspielt, was man hier zu hören bekommt, ist also der verbindende Aspekt. Ansonsten haben die Songs dieses Albums nämlich nicht allzu viel gemeinsam: Sie sind vielmehr als einzelne Episoden anzusehen, die sich jeweils einer anderen Figur annehmen und den Hörer an ihrer Situation teilhaben lassen. Das alles mag sich vielleicht überambitioniert anhören, kann aber eigentlich nur gelingen, wenn solch ein talentierter Songwriter wie Willy Vlautin hinter den Texten steckt.

Der Titeltrack lässt es mit Pedal-Steel und säuselnden Gitarren geruhsam angehen. Willy Vlautin erzählt von einem verlassenen Haus und nimmt dieses Bild zum Anlass, über die Kindheit zu sinnieren. Das kurze, dramatische Instrumental „Northwest“ ist musikalisch schon um einiges spannender, und da wohl auch Richmond Fontaine dieses Fragment als zu wertvoll ansahen, findet es sich im direkt nachfolgenden „You Can Move Back Here“ wieder, dessen Beginn einen braven Alt-Country-Song befürchten lässt, sich dann aber doch zu einem der stärksten Songs des Albums entwickelt. Auch „The Boyfriend“ hält so manche Überraschung parat. Als die Hauptperson verzweifelt schreit "I ain’t like that, oh I ain’t gonna be like that”, entlädt sich die Spannung in einer Trompetenmelodie, die treffend die Angst und Unsicherheit des erzählenden Charakters widerspiegelt. Worum es in dieser Geschichte geht, und welche Erkenntnis ihn so sehr verunsichert? Am besten man hört es sich selbst an, denn über die Lyrics findet man am besten Zugang zu diesem Album. Textlich bewegt sich „We Used To Think...“ nämlich konstant auf höchstem Niveau und lässt einen über die eine oder andere schwächere musikalische Idee hinwegsehen. Die Figuren sind gut gezeichnet und glaubwürdig, sei es der Boxer in „The Pull“, der mit Alkoholproblemen zu kämpfen hat, oder das Pärchen Ruby & Lou, das allen Widrigkeiten zu trotzen versucht. Es gibt aber auch optimistischere Songs auf „We Used To Think...“ zu hören, wie beispielsweise das rockige „Maybe We Were Both Born Blue“ und den abschließenden Track „A Letter To The Patron Saint Of Nurses“, der zwar nicht gerade gute Laune verbreitet, jedoch eine versöhnlichere Note als die meisten anderen Songs besitzt.

Dank Vlautins textlicher Treffsicherheit ist „We Used To Think...“ in erster Linie eine spannende Sammlung kleiner Geschichten. Die Musik hat meist eher die Funktion, eine Stimmung zu unterstreichen oder die Gefühlslage von in den Geschichten auftretenden Personen hervorzuheben. Erfreulicherweise wagen sich die Songs häufig aus dem bekannten Fahrwasser des Alt-Country heraus. Für das achte Album einer Band ist „We Used To Think...“ daher überraschend frisch und abwechslungsreich geraten, wozu auch die gelungenen Instrumentals beitragen. Bei Richmond Fontaine ist also auch in Zukunft noch mit so mancher Überraschung zu rechnen.

Kilian Braungart

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