Rezension

New Flesh

Universally Dirty


Highlights: Arms House // Don't Look Now
Genre: UK Garage
Sounds Like: Dizzee Rascal // Jay Z // M.I.A. // Sean Paul

VÖ: 30.06.2006

Nehmen wir zusammen, was in den letzten zwölf Monaten sowohl das Musik-TV als auch den durchschnittlichen Plattenhörer berührt haben könnte und greifen uns drei Künstler heraus: Sean Paul, The Streets, Pharrell. Fast alles, was deren Alben bieten, verbinden New Flesh auf ihrem dritten Album „Universally Dirty“. Was Producer Part 2 und seine beiden Stamm-Mikrofonkünstler Juice Aleem und Toastie Tailor veranstalten, passt in so viele Schubladen, dass der Schrank explodiert. Da ist es absolut unverständlich, wie wenig Aufmerksamkeit das Album bisher in Deutschland erhalten hat; immerhin Klaus Walters „Der Ball ist Rund“ im Hessischen Rundfunk hat sich ihm gewidmet.

Schon der Opener „Backyard“ zeigt, dies ist mehr als ein Underground-Grime-Album. Eine aggressive Bassline in Verbindung mit Toasties-Dancehall-Skills ergeben einen Tune (oder für alle Fachleute auch Riddim), wie ihn die Berliner Seeed gerne schreiben würden und wie Sean Paul ihn schreiben könnte, wenn er nicht so auf die Verkaufszahlen schielen würde. Wenn Juice Aleem dann noch mit seinen Raps einsteigt, wird diese Nummer größer, als das meiste, was in den letzten Jahren aus den USA in die deutschen Charts eingestiegen und auf den Dancefloors angekommen ist. Dabei soll der Track nur unsere Aufmerksamkeit binden und uns schon mal darauf vorbereiten, die nächsten 40 Minuten auf einer Achterbahn zu verbringen. „Wherever You Go“ geht in der gleichen Richtung weiter, schwerer Bass und Dancehall meets Old School Raps. Dabei tritt der Dancehall ein wenig in den Hintergrund, und die Beats sind ein wenig neben der Spur; wir merken langsam, dieser Track und das Album stehen in der Tradition des UK Garage mit so verschiedenen Spielarten wie 2Step und Grime – oder führen die Tradition an. Da bleibt für Juice Aleems Maschinengewehr-Raps ebenso nur eine Randnotiz über, wie für den auf den Punkt gebrachten Einsatz von Akustik-Gitarre und Streichern. Electro-Grime, wie er auf dem europäischen Festland durch Mike Skinner, die Mitchell Brothers und Dizzee hoffähig gemacht wurde, gibt es dann mit „Howz Dat“. Dreckig, dunkel und deftig, die Hintern wackeln so stark, JLo hätte nach einmal hören an ihrem gleich drei Kilo verloren und sähe aus wie Paris Hilton.

Die Qualität lässt nicht nach, weder „Home Movie“ noch „Who’s the Daddy“ müssen sich verstecken, sie können eher als tanzbare, durchproduzierte Meisterwerke der Black Music bezeichnet werden. Der musikalische Herzschrittmacher erster Güte wird jedoch mit „Arms House“ geliefert. Bass, Beats und Doppel-Raps ergeben ein Brett, dass auf jeder Drum’n’Bass- und Jungle-Party gut aufgehoben wäre, ohne tatsächlich diesen Genres zu entspringen. Im Folgenden wird dann alles, was bisher schon vorkam, gut vermischt, zusätzlich ein kleiner Schuss Electro hinzu gegeben, es entsteht „Don’t Look Now“. Dass es mit „Trouble“ weiter hinten noch eine echte Rootsreggae-Dub-Hymne und mit „Give Up the Fight“ zudem einen astreinen Garage-Hit gibt, verpasst dem Wahnsinn namens „Universally Dirty“ die letzten I-Tüpfelchen.

Warum also hat dieses Album nicht die verdiente Wertschätzung bekommen? Es ist einfach zu vielseitig, US-HipHop-Fans zu britisch, HipHop-Fans zu sehr Dancehall, Reggae/Ragga/Dancehall Freunden zu Old School HipHop, dazu elektronisch und dem UK-Garage entspringend, das kann ja nicht gut gehen. Ganz klar aber ist „Universally Dirty“ ein fantastisches Stück tanzbarer Musik, auf dem jeder Track den Dancefloor zum Beben bringen kann – und im Sinne seiner Urheber auch soll.

Oliver Bothe

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