Rezension

Morrissey

Years Of Refusal


Highlights: Something Is Squeezing My Skull // I´m Throwing My Arms Around Paris // That´s How People Grow Up
Genre: Rock // (Pop)
Sounds Like: Suede // Manic Street Preachers // British Sea Power // James

VÖ: 13.02.2009

Steven Patrick Morrissey hat mit der Öffentlichkeit abgeschlossen. Kaum noch provokante Aussagen des auf ewig missverstandenen Rebellen. Er hat akzeptiert, dass der Großteil der Leute ihn sowieso nicht verstehen wird und jetzt kommt er damit offensichtlich auch bestens klar. Ein großer Wendepunkt im Leben Morrisseys scheint nämlich stattgefunden zu haben, und „Years Of Refusal“ ist daher auch so etwas wie die Retrospektive und Zukunftsvision der Karriere des Mozzers zugleich. Die alten Zeiten werden zu Grabe getragen und gleichzeitig erstrahlt Morrissey in neuem Selbstbewusstsein. Er muss nicht mehr jede Konfrontation annehmen, sondern steht von nun an lieber über den Dingen.

Einerseits ist die neue Facette Morrisseys in gewisser Weise löblich - selbst dem eingefeischtesten Fan müssten so manche Eskapaden früherer Tage auf die Nerven gegangen sein - , doch muss man auch ehrlicherweise eingestehen, dass es gerade diese Extravaganzen waren, die diesen Mann so besonders gemacht haben. Ein Konzert unterbrechen, weil in der ersten Reihe einer eine Wurstsemmel isst? Einen Festivalgig zehn Minuten vor Beginn absagen, weil Paul Weller am Tag danach den gleichen Headlinerstatus genießt? Völlig bescheuert sagen die Einen, absolut großartig sagen die Mozanhänger! Und dieser Morrissey soll nun der Vergangenheit angehören? Ganz glauben mag man das noch nicht, aber sein zehntes Studioalbum behauptet nicht unbedingt das Gegenteil.

Denn auch „Years Of Refusal“ schlägt im wahrsten Sinne des Wortes neue Töne an. Sehr laute Töne nämlich. Mehr denn je scheint Morrissey Zugang zu seiner eigenen Band gefunden zu haben. Lässt sich nicht nur nackt mit ihr zusammen ablichten, sondern gesteht ihr auf seinem zehnten Studioalbum auch zu, mal so richtig abzurocken. Selbstverständlich bleibt der Mozfather immer Herr der Lage, aber der Einfluss seiner Band ist in nahezu jeder Sekunde unüberhörbar. Und Morrissey gefällt sich auch noch in seiner neuen Rolle als Rockstar. Genau das dürfte den meisten Fans vergangener Tage erheblich gegen den Strich gehen. Die großen Popgesten weichen den Rockgesten.

Bei „Something Is Squeezing My Skull“ funktioniert der Rocker Morrissey eigentlich noch ziemlich prächtig. Ein flotter Uptemposong, bei dem nichtsdestotrotz die stimmliche Präsenz des Meisters dominiert. Im folgenden Verlauf des Albums spielen sich die Instrumente aber immer mehr in den Vordergrund und verleihen „Years Of Refusal“ einen fiesen Classic-Rock-Anstrich, und den braucht heute beileibe nun wirklich niemand mehr. Genauso beliebig klingen Songs wie „Black Cloud“ oder „One Day Goodbye Will Be Farewell“ dann auch. Kaum eine Stelle, die man nicht schon einmal irgendwo in ähnlicher Form gehört hat. Am liebsten würde man die Stecker aus den Amps ziehen und die Lautstärke des penetranten Schlagzeugs weit nach unten drehen. Ganz schlimm wird es aber erst, wenn Morrissey sich den Poncho umwirft und zu Trompeten den Mariachi gibt („When Last I Spoke To Carol“). Ein Held, wer da nicht einem Weinkrampf verfällt.

Echte Perlen gibt es zwar tatsächlich auch, aber die sind entweder schon von dem Greatest-Hits-Album bekannt („That´s How People Grow Up“) oder dauern gerade mal zweieinhalb Minuten, wie das wunderschöne „I´m Throwing My Arms Around Paris“. Auch wenn er noch so viel Schmalz in seinen Pop wirft, SO lieben wir unseren Morrissey!
In „All You Need Is Me“ singt er „You´re Gonna Miss Me When I´m Gone“ und erklärte diesbezüglich in einem Interview, dass er bis in fünf Jahren seine Karriere beenden möchte. In diesem Punkt irrt Morrissey allerdings. Wir vermissen ihn nämlich schon jetzt. Den alten Morrissey.

Benjamin Köhler

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