Rezension

Maurice Steger

Mr. Corelli In London


Highlights: Händel // Corelli // Telemann
Genre: Barockmusik
Sounds Like: Stücke Nummer 1, 2, 10, 20, 21

VÖ: 16.04.2010

Die Blockflöte ist – oder war zumindest – das Instrument, mit dem Kinder auch in jungem Alter am ehesten in Berührung kamen – um nicht zu sagen, mit dem sie gequält wurden. Vielleicht liegt es daran, dass die Vorstellung eines Blockflötenkonzerts oder eines Konzerts, dessen Solist eine Blockflöte spielt, eher seltsam wirkt. Allerdings ist die Sopranblockflöte, mit der Schüler in Kontakt kommen, nicht das einzige Instrument, das im Englischen als „Recorder“ bezeichnet wird, und zudem ist das musikalische Vermögen eines Schülers – oder auch eines Musiklehrers – kaum von der Virtuosität, die der Schweizer Maurice Steger besitzt.

Auf seiner CD „Mr. Corelli in London“ widmet er sich in Zusammenarbeit mit dem The English Concert dem Werk Arcangelo Corellis. Corelli war nicht der einzige italienische Komponist, der im Barock zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine außergewöhnliche Popularität in den musikalischen (Männer-)Gesellschaften der englischen Städte besaß. Allerdings herrschte um keinen Komponisten ein solcher Kult, wie die einmal mehr äußerst lesenswerten Linernotes zu Stegers Einspielungen darstellen. Besonders seine Violinsonaten erfreuten sich großer Beliebtheit und zahlreiche Musiker – die unter anderem von der magnetischen Wirkung von Händels Schaffen auf die Insel gelockt wurden – schufen Variationen dieser 12 Sonaten.

Diese Variationen und überhaupt die veröffentlichten Transkriptionen hat Steger durchforstet und jene ausgewählt, die ihm am gelungensten und berührendsten erschienen. Corellis Stücke mit der Blockflöte zu interpretieren erscheint dem Laien fremd, doch war – so Steger – die Blockflöte ein sowohl von Laien wie von Profis vielgespieltes Instrument im Barock. Auch ohne die Linernotes zu studieren, begeistert an Stegers Einspielung die Virtuosität, mit der er die unglaublich variationsreichen und schnellen Figuren vorträgt. Er selbst gesteht, er habe nie zuvor solch komplexe Ornamentierungen gesehen. „Sich darin zu versenken ist ein lustvolles Abenteuer für jeden Musiker,“ genau wie es ein Abenteuer sei, „diese Musik zu spielen“. Auch der Hörer begibt sich im Genießen der CD auf eine außergewöhnliche, lustvolle, begeisternde Reise in Zeit und Raum.

Natürlich ist das Vergnügen, das „Mr. Corelli in London“ bereitet, auch bedingt durch das Talent, die Spielfreude und den Vortrag des The English Concert unter Laurence Cummings, und Vergnügen bereitet das Hören dieser CD. Steger ist sich des Werts seiner Kollaborateure vollkommen bewusst, so dass er sie sich in Thema und Variationen der Sarabanda aus Corellis „La Follia“ vollkommen allein entfalten lässt.

Vom ersten Ton dieser CD ist der Hörer dem Zauber der präsentierten Barockmusik und insbesondere dem Charme des Führungsinstruments Blockflöte erlegen. Die ersten beiden Stücke des Albums – Preludio und Allemanda des Flötenkonzerts Nr. 10 – offenbaren sofort die beiden Seiten der präsentierten Auswahl. Auf das melancholische, hoch-emotionale Preludio folgt voller Spielfreude eines jener Stücke, die Steger oben als Abenteuer beschriebt. Der Hörer verliert sich in den Farben und Variationen der Tonfolgen, die Augen leuchten, der Mund steht offen, und die Schönheit der Musik durchdringt einen. Gewichtig und feinsinnig einerseits, luftig leicht und tänzerisch zum anderen geht es weiter durch diese außergewöhnliche Präsentation. Beschlossen jedoch wird das Album auf seiner gedankenvollen, tiefen Seite. So bleibt besonders in Erinnerung, dass Steger, dass Corelli und die bekannten und unbekannten Meister, die seine Werke variierten, hier Musik geschaffen haben, die so überbordet vor Gefühlen, die den Hörer direkt anspricht, ihn zur Ruhe kommen lässt, aber ihn in dieser Besinnung doch fordert, indem sie seine Seele auffordert, sich zu öffnen und den Emotionen freien Lauf zu lassen. Maurice Stegers „Mr. Corelli in London“ ist ein überaus reiches, ein ungemein lohnendes Album.

Oliver Bothe

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