Rezension

Martin Kohlstedt

Ströme


Highlights: Tarleh // Niodom // Ksycha
Genre: Neoklassik
Sounds Like: Niels Frahm // Grandbrothers

VÖ: 03.05.2019

Martin Kohlstedt hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einer zentralen Figur der Neoklassik entwickelt. Während man ihn lange mit dem Klavier verbunden hat, zeigt sich auf „Ströme“, dass die Magie nicht verloren geht, wenn er mit dem GewandhausChor zu Leipzig ein Album aufnimmt.

„Senimb“ eröffnet die Platte mit einem Surren, bei dem man das Gefühl hat, inmitten eines Bienenstocks zu stehen. Das Summen der rund 70 Chorstimmen löst eine Vibration aus, bei der man wenig später mit nur wenigen hinzugefügten Klavierakkorden das Gefühl bekommt, sich ganz sanft im Wind zu bewegen. Synthesizer malen dieses Gefühl des Schwebens noch weiter aus. Ganz sanft und mit zarten Tönen steigern sich die Elemente des Klaviers und des Gesangs, bis das Orchester einsetzt und den Raum ausfüllt.

So wie auch Bienen ihre ganz eigene Art der Kommunikation haben, ergänzen sich Martin Kohlstedt und der GewandhausChor. Kohlstedts Form der modularen Komposition ist seine Art und Weise sich auszudrücken, was sich insbesondere in seinen Konzerten zeigt. Auch bei „Ströme“ setzt er wie gewohnt auf diese Module als das musikalische Äquivalent von Wörtern. Diese können sowohl Melodien, Akkorde, Motive oder Loops sein, die sich in intuitivem Gefüge aneinanderreihen, verbinden oder reiben. Die Form wie er sie zusammensetzt ist niemals gleich und abhängig von dem Kontext, ähnlich sprachlicher Kommunikation. Diese Interaktion seiner modularen Ideen wird auf dem Album auf menschliche Stimmen, Körper und ein Streichorchester ausgeweitet. Auch der GewandhausChor überzeugt durch seine Neuinterpretation klassischer Musik, indem Vokale gesungen und gesummt, Konsonanten gesprochen und Impulse durch Klatschen gesetzt werden. Alles im Moment des Aufeinander-Abstimmens. Dabei erzeugen Klavier und Gesang einen Sog, ein intimes Verhandeln, Ausbrechen und Annähern während man das Gefühl bekommt ganz von der Musik und der sozialem Wärme umgeben zu sein.

„Ksycha“, als eines der Highlights des Albums, beginnt düster, mit dumpfen Schlägen, zu denen sich monotone Akkorde des Klaviers gesellen und lauter werden. Wenn Kohlstedt in die Loops übergeht, erzeugt dies ein Flirren, welches bald von rhythmischen Rufen und Klatschen des Chores ergänzt wird, bei denen man gar nicht so richtig weiß, was gerade den Klang erzeugt. In Kombination mit elektronischen Erzeugnissen eine geniale Mischung.

Diese Momentaufnahme und das Zusammentreffen beweisen, dass Klassik mit Chorgesang oftmals etwas Sakrales hat – hier jedoch ohne verstaubt zu sein.

Lina Niebling

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