Rezension

Lone Wolf

The Devil And I


Highlights: This Is War // Keep Your Eyes On The Road // We Could Use Your Blood // 15 Letters // The Devil And I (Part 2)
Genre: Singer-Songwriter // Folk // Pop
Sounds Like: Midlake // The Divine Comedy // Antony & The Johnsons // John Grant

VÖ: 21.05.2010

Eigentlich sollte man sich dieses Album gar nicht anhören. „The Devil And I“ heißt das Debut des Engländers Paul Marshall unter dem Namen „Lone Wolf“ – und es ist alles andere als ein Gute-Laune-Album geworden. Es mag am Einfluss seines großen Idols Tom Waits liegen, dass er sich in seinen Geschichten in die gespenstischsten Abgründe hinabbegibt. Der Opener „This Is War“ wird da ziemlich explizit: “I'm trying to pretend I won this war between my brain and her brawn / But this is a war I won't be coming home from” singt Marshall. Doch es gibt kein Zurück mehr, der Song hat einen schon längst in seinen Bann gezogen, Widerstand ist zwecklos. Jetzt gilt es nur, wieder möglichst heil aus der Sache herauszukommen.

Es ist gar nicht so einfach in Worte zu fassen, wo die Faszination herrührt, die Lone Wolf auf einen ausübt. Vielleicht ist es die unkonventionelle Herangehensweise Marshalls an die Musik, der eine langjährige musikalische Vergangenheit in diversen Hardcore-Bands hat. Vielleicht ist es auch die perfekte Gratwanderung zwischen der Mystik des britischen Folks und verführerischem Pop-Appeal, die Paul Marshalls Songs auszeichnet.

Dies sind jedoch Dinge, über die man sich während des Hörens von „The Devil And I“ gar keine Gedanken machen kann, dafür ist dieses Album viel zu dicht gestaltet, und insbesondere die ersten Songs sind so stark, dass man gar keine andere Wahl hat, als gebannt zuzuhören. „Keep Your Eyes On The Road“ wird durch ein unnachgiebig schiebendes Schlagzeug vorangetrieben, behände spielt Marshall darüber seine filigranen Gitarrenpickings, mit denen er die diversen Teile, aus denen sich der Song zusammensetzt, souverän verknüpft. Als sich zum Ende hin eine hypnotisierende Gesangslinie aus dem Nichts erhebt, zeichnet sich bereits die unaufhaltsame Katastrophe ab, und man ertappt sich selbst dabei, wie man sich von Marshalls fatalistischen Gedanken einwickeln lässt. „I lay staring at your innocent skin / wondering how I fucked this up, but I surely did” – mehr bleibt ihm nicht mehr zu sagen, bevor alles in einer Flut aus E-Gitarren untergeht. Unverzüglich schließt sich das nächste Highlight dieses Albums an. „We Could Use Your Blood“ zeugt von Marshalls ausgezeichnetem Gespür für angemessene Instrumentierung. Besser als mit einem bedächtigen Bläserchoral hätte er die Atmosphäre des Songs nicht unterstreichen können, und auch hier finden sich wieder haufenweise ausdrucksstarke Verse, die es wert sind, zitiert zu werden. Natürlich ist, was Marshall hier vorführt, eine Inszenierung, jedoch bleiben seine Texte immer so persönlich, dass die Songs zu berühren wissen. Er mag sich sehr wohl bewusst sein, was er mit seiner Stimme alles anstellen kann, verliert sich jedoch nie in selbstverliebten Ausschmückungen, allein was der Ausdruckskraft der Songs selbst dienlich ist, ist gestattet.

Dass auch die Songs im Kontext des Albums optimal aufeinander abgestimmt sind, wird schnell offenbar. In „Buried Beneath The Tiles“ gelingt es Marshall dank eines Streicherensembles, den Bogen weiterzuspannen und noch apokalyptischere Szenarien heraufzubeschwören. „15 Letters“ entpuppt sich als bitterböse Mörderballade und der erste Teil des Titelsongs dient als Vorverweis, worauf man sich zum Ende hin noch einzustellen hat. „Soldiers“ bewegt sich zwischenzeitig in Dur-Harmonien und in „Dead River“ zeigt sich Marshall für seine Verhältnisse schon beinahe lebenslustig „Now the air is sourer than a mortuary morning, / But we're not dead yet! No...“ singt er trotzig.

Doch dann ist es soweit, und es kommt so, wie es sich im Verlauf dieser dramatischen Inszenierung bereits abzeichnete. Mit dem zweiten Teil des Titelstücks „The Devil And I“ legt Marshall seinen konsequenten Abgang hin. „The Devil and I last night were alone in my house. / He laughed at my jokes, struck a match, burned the place to the ground” singt er, bevor wuchtige Trommelschläge dem Ganzen ein Ende setzen. Es gäbe wirklich keinen Grund, sich dieses finstere Album anzuhören, wenn es nur nicht so schaurig schön wäre.

Kilian Braungart

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