Rezension

Kissogram

Rubber & Meat


Highlights: Rubber & Meat // Lucy // Bucharest // Messiah // Don't Look At Me Like This
Genre: Indietronics // New New Wave
Sounds Like: Franz Ferdinand // Shantel // WhoMadeWho // Chikinki // Phillip Boa

VÖ: 13.03.2009

Franz Ferdinand hätten keinen besseren Support für ihre aktuelle Tour gewinnen können als Kissogram, verbinden Jonas Poppe, Sebastian Dasse und Joe Dilworth auf „Rubber & Meat“ doch alles, was auch Franz Ferdinands aktuelles Album oder sogar ihr Schaffen an sich so reizvoll macht: Tanzmusik infizierter Rhythmus gegen Melodien, Pop-Appeal gegen puren Rock’n’Roll, Indierock gegen Clubmusik. In keinem Fall aber klingen Kissogram dabei wie eine Kopie. Der tanzbare New New Wave verleibt sich dazu zu viele housige Elemente und Balkanpop-Rhythmen ein beziehungsweise steht an anderer Stelle zu sehr in einer traditionellen Songwriter-Schule.

Zu Beginn und gegen Ende funktioniert das Album fantastisch. Mitreißend und voller nicht sofort erfassbarer Aspekte macht das Hören einfach Spaß. Offenbar aber reichte die Kreativität nicht aus, um das Niveau durchgängig hoch zu halten. Mit dem übermäßig bespaßten „Grass Grass Grass“ treten Ermüdungserscheinungen auf, die von den folgenden Balkan- oder Polka-Exkursionen nicht etwa aufgehoben sondern vielmehr vertieft werden. Dennoch gehören diese Tracks separat gehört zu den Hits des Albums.

„The Deserter“ eröffnet mit hektischem Synthie und stampfendem Schlagzeug voller Kraft und zerrt den Hörer sofort auf die Tanzfläche. Das bleibt der Ort der Wahl, wenn der Titeltrack erklingt und sich verspielt und begeisternd zum Hit aufbläst. „Tonight I’ll Go Out Alone“ drosselt das Tempo. Es entfaltet sich ein dichter und vielschichtiger Electro-Blues. Jahrmarktatmosphäre erzeugen die hüpfenden Klavier-, Orgel- und Synthesizer-Klänge in „Prominent Man“. Eben war Electro-Blues, jetzt ist Electro-Polka. Das lustig Springende greift „Grass Grass Grass“ auf und übertreibt es mit seinen Wort-Triolen. Nervig und unausgegoren zeigt es sich schnell als musikalischer Schnellschuss. Der fade Beigeschmack von „GGG“ überlagert leider den Tanzflächen-Hit „Lucy“ wie auch den Balkanpopper „Bucharest“. Spätestens in „Nocturne No. 27“ offenbart sich ein weiteres Problem des Albums oder der Produktion. Synthesizer und Orgeln dominieren das Album und variieren nur minimal. Wie der Gesang auch, klingen sie nahezu immer gleich, ein einzelner Filter nivelliert alles. Auch die Indietronic-Interpretation des Phillip-Boa-Sounds in „Messiah“ überzeugt nur bedingt. Den Gesamteindruck des Albums rettet „Don’t Look Back At Me Like This“ als elektrifizierter Sergeant-Pepper-Gedächtnissong. Eine perfekte Pop-Nummer mit stimmigem Arrangement, die aber erneut unter der einebnenden Produktion leidet.

Kissogram sind auf „Rubber & Meat“ am stärksten, wenn sie ihre Experimentierfreude zügeln und sich auf den Kern ihres Sounds konzentrieren. Ihr Klang beinhaltet neben der klassischen „Indie-Ballsaal“-Nummer allerdings zudem den zurückgenommenen, ruhigen Songwriter-Rock, wie er in „Don’t Look…“ oder in „Tonight…“ präsentiert wird. Wenn die Albuminfo den Stil des Albums als dreckigen, rohen, tanzbaren Indie-Rock’n’Roll voller erotischer und ekstatischer Energie lobt, dann ist das soweit richtig, doch leider wirkt diese aufputschende, diese mitreißende Mischung nur über etwa die Hälfte des Albums wirklich. Das ist umso bedauerlicher, als dadurch auch Jonas Poppes Texte weniger glänzen können, als ihre Geschichten es verdienen. Theoretisch bietet „Rubber & Meat“ Hits, Hits, Hits. Praktisch jedoch beschneiden Produktion und mangelnde Vielfalt in den Arrangements die Gesamtwirkung. Statt ein gelungenes „Album“ zu werden, verkommt „Rubber & Meat“ zur ermüdenden Nummernrevue.

Oliver Bothe

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