Rezension

Jimi Tenor

ReComposed


Highlights: Répons, Section 1 // Déserts // Messagesquisse, Très Rapide
Genre: Klassik
Sounds Like: Sigur Ros // Radiohead // Henry Mancini

VÖ: 22.09.2006

Jimi Tenor durfte also als zweiter an die hochheiligen Archive der Deutschen Grammophon, um einzelne Werke zu „rekomponieren”. Der erste Anlauf war Matthias Arfmann – Turtle Bay Country Club, Jan Delay u. a. – überlassen worden … und hatte mich kein Stück interessiert, zurecht? Glaubt man der Spex, verwehrten viele der Rechteinhaber der neueren ernsten Musik unserem Lieblingsfinnen allerdings, sich mit ihren Kompositionen auseinanderzusetzen. Wobei gerade dieses Verlassen der ausgetretenen „Klassik meets Pop“ Pfade dieser CD gut tut.

Nicht, dass Steve Reich, Eric Satie, Pierre Boulez und Nikolai Rimsky-Korsakov nicht auch zum Kanon der ernsthaften Musik gehören, aber die hier von Jimi Tenor „verwursteten“ Stücke sind doch so, dass eine zweite CD mit den Originalen wirklich fehlt, da nur sie dem „Uneingeweihten“ verdeutlichen könnte, was hier Jimi Tenors Werk ist, und was im Original bereits vorhanden war.

Allerdings erhöht dieser Mangel auch die Faszination, die „Deutsche Grammophon ReComposed by Jimi Tenor“ ausmacht. Die Albumeröffnung führt uns mit einer angedubbten Variante von Steve Reichs „Music For Mallet Instruments, Voices And Organ“ erst einmal auf die falsche Fährte. 1973 im Original entstanden, hören wir hier sehr viel Jimi Tenor und wohl relativ wenig Original. Ähnlich ergeht es der zweiten Reich-Komposition. Poppig leicht schweben uns die „Six Pianos“ um die Ohren. Das klingt wie ein Anime-Soundtrack aus den Tiefen des Weltraums. Allerdings dürften hier doch mehr Spuren des Originals erkennbar sein, als in „Music Ror Mallet Instruments, …“.

Deutlich schwerer/ernsthafter/weniger poppig erklingt da Tenors Rekomposition von Esa-Pekka Salonens „Wing on Wing“. Allerdings hat auch dies, wie die meisten Stücke des Albums, eine audiovisuelle Komponente. Der Rezensent der Stuttgarter Zeitung erkennt hier einen durch ein Schloss latschenden Vampir. Einmal mehr stellt sich die Frage nach dem Original. Aber ohne dies zu kennen, muss ich feststellen, die Atmosphäre, die Tenors Einspielungen auf dieser CD verströmen, ist durch und durch – oder zumindest in hohem Maße – düster; so düster, wie es schon das Cover verspricht. Die „Alien, Part 999“-Assoziation von „Wing on Wing“ wird von den „sieben Todsünden“ abgelöst, die von der hier vertretenen Fassung von Pierre Boulezs „Répons, Section 1“ hervorgerufen wird. So übergangslos reihen sich auch die weiteren Stücke aneinander. Das folgende „Vexations“ von Eric Satie interpretiert Tenor gleich dreimal neu, bzw. er rekomponiert jede der drei Originalvarianten einmal.

Zum Abschluss sei noch die vertretene Version von Edgar Varèses „Déserts“ erwähnt. Laut Tenor (si. Linernotes) inspirierte Varèse zahlreiche Filmmusik-Komponisten, insofern ist es nahe liegend, dass Tenor hier versucht mit seiner Version des Stücks in knapp sechs Minuten einen ganzen Film zu erzählen. Dies gelingt auf eine solch beeindruckende Art und Weise, dass allein dieser Track eine Beschäftigung mit „ReComposed“ rechtfertigt. Wenn diese Reihe so qualitativ hochwertig fortgeführt wird, wie es Jimi Tenor hier erreicht, könnte der Schreiber vom Jimi Tenor Fan zum Deutsche Grammophon Fan „aufsteigen“. Musik sollte (neue) Bilder im Kopf des Hörers erschaffen, ihn dabei unterhalten und vor allem nicht nur Untermalung sein. Dieses Album schafft das. Immer wieder aufs Neue.

Oliver Bothe

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