Rezension

Jamie XX

In Colour


Highlights: Sleep Sound // SeeSaw // Girl
Genre: Electro-Pop // Beats // Rave
Sounds Like: Four Tet // Daphni // The XX

VÖ: 29.05.2015

Wenn Sängerin Romy Madley Croft von den loud places singt („I go to loud places, to search for someone to be quiet with“) ist dies natürlich melancholisches Understatement, aber man kommt nicht umhin, dies ebenso als programmatische Ansage an das Debütalbum des Jamie XX zu verstehen, auf dem er in einem sommerlich angehauchten, farbenfrohen Genremix elf mögliche dieser Orte präsentiert.

Die bunte Vita des jungen Briten ließ die Erwartungen an „In Colour“ nicht gerade gering ausfallen. Zunächst als Beatbastler von The XX bekannt geworden, trat Jamie in der Folge verstärkt als Produzent von Pop-Musik (Rihanna, Alicia Keys, Drake), Remixen (Florence And The Machine, Adele) und als DJ in Erscheinung. „In Colour“ ist zwar auf dem Papier sein erstes, aber gefühlt bereits das zweite Album nach der kompletten Überarbeitung und frischen Neuinterpretation von Gil Scott Herons Werk „I’m New Here“ („We’re New Here“, 2011). Als jedoch der selbstproduzierte Song „Girl“ fertiggestellt war, sei klar gewesen, dass ein ganzes, eigenes Album folgen sollte. In einer fast dreijährigen Schaffensphase entstand schließlich „In Colour“.

Nicht nur, dass Jamie XX seine Hauptband nach wie vor im Namen trägt, auch das Coverbild zitiert deren Artwork, und seine Bandgefährten Oliver („Stranger In A Room“) und Romy („SeeSaw“, „Loud Places“) leihen insgesamt gleich drei Titeln ihre Stimmen. „Stranger In A Room“ unterscheidet sich atmosphärisch und in seiner Ausgestaltung kaum vom Minimalismus der XX, während „Loud Places“ wie eine Weiterentwicklung und letztlich nur „SeeSaw“ wirklich anders klingt. Letzterer bildet in der Verbindung aus UK-Beats und 90s-Trance mit den gehauchten Vocals von Romy einen starken Moment der Platte.

Ob karibische Steeldrums („Obvs“), Hip-Hop pur („I Know There’s Gonna Be (Good Times)“), verträumte EDM-Landschaften („The Rest Is Noise“) oder offensive Beatgewitter („Gosh“, „Hold Tight“), das Album vereint eine ganze Menge unterschiedlicher Einflüsse und Stimmungen. Eine Elektro-Platte für jedermann zu schaffen erfordert vielleicht, dass an mancher Stelle Kanten geglättet und in etwas Größeres eingebettet werden. Als Nebenprodukt rauscht vieles jedoch beinahe reibungslos an einem vorüber. Diese Leistung wird der Platte – und einigen ihrer Songs – zum Verhängnis, die unter dem Strich etwas zu sehr nach Weichspüler und Gefälligkeit klingt.

Die stärksten Augenblicke finden sich dort, wo der Beat-Fan Jamie ganz bei sich zu sein scheint und verschleppte Rhythmik mit satten Bässen auf eine Weise mischt, die man vielleicht als britisch, auf alle Fälle aber als markant und charakteristisch bezeichnen kann („Sleep Sound“ und „Girl“). „In Colour“ traut sich insgesamt viel Farbe zu und eignet sich daher perfekt für die Untermalung lauer Sommerabende. Es könnte laut werden, doch Musik zum Schweigen und Zuhören geht anders.

Jonatan Biskamp

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Video zu "Sleep Sound"
Animation zu "Girl"

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