Rezension

Gaddafi Gals

Temple


Highlights: Skimask // Mitsubishi // Lotus
Genre: R ‘n’ B // Hip-Hop
Sounds Like: Ebow // Shari Vari // Gianni Mae

VÖ: 27.09.2019

Wer glaubt, das Debutalbum „Temple“ der Gaddafi Gals erschließt sich einem beim ersten Hören, liegt falsch. Der hohe Anspruch des Projekts zeigt sich in einem Spannungsfeld von Sperrigkeit, Monotonie und Faszination. Projekt deshalb, weil es mehr als nur Musik ist, wie es sich unter anderem an ihrer Ausstellung "GG-World" 2018 in München aufzeigen lässt. Dort untersuchten sie Fragen zur Fragilität des Subjektbegriffs, der Kapitalisierung von Kunst, dem Branding individueller Haltungen und zur Gegenwart von Pop und Musikkultur. All diese Themen lassen sich nun auch als Spuren in ihrem Album wiederfinden. Direkt beim Opener spürt man eine mystische Atmosphäre, doch erst im Gesamten und nach mehrfachem Hören lässt sich das Kunstwerk erkennen. Wie bei einem theoretisch komplexen Text lassen sich Bezüge peu à peu herstellen, die Theorie aber erst nach mehrmaligem Lesen/Hören ergründen.

Bei Gaddafi Gals mischt sich blaqteas tanzbarer Hip Hop, den man aus ihrem Soloprojekt als Ebow kennt, slimgirl fats Gesang aus Indie- und Popprojekten (z.B. Nalan381) mit walter p99 arke$tras Interesse für Südstaatenrap aus den 1990er Jahren. Schleppende Tempi, zerpflückte, abrupt endende Samples zusammen mit sirenenhaftem, manchmal verzerrtem Gesang und direktem Rap sind dabei die Kernelemente des Albums.

Dabei fügen Gaddafi Gals vermeintlich Gegensätzliches zusammen: Rap mit seichtem Gesang, simple Lofi-Ästhetik bei gleichzeitiger Komplexität, protziges Gehabe mit Verletzlichkeit – überwältigend und monoton. Sie cruisen in einem Mitsubishi mit goldenem Grill, feiern das Protzige und einen hedonistischen Lebensstil und verorten sich gleichzeitig auf indirekte Weise äußert politisch. Die Monotonie der immer gleichen Lyrics („Temple of Love“) können auch als Kritik der Monotonie des Alltags gesehen werden, wie sie Noizz verraten haben. Ihren Bandnamen sehen sie als Metapher für ein Leben mit Macht, Geld und Gold und indem sie es vorführen, kritisieren sie es. Der Titel ihrer EP „The Death Of Papi“ lässt sich hier nochmal anders verstehen.

Mit dieser EP sorgten sie bereits 2018 für internationales Aufsehen und vielfach wurden sie für ihren globalen Sound gelobt. So titelte das Vice Magazin beispielsweise: „Gaddafi Gals is the only german rap trio you need in 2018“. Doch das so nachzufühlen, bedarf Geduld und einer Lösung von Erwartungen und vielleicht auch Hörgewohnheiten. Wer sich darauf einlässt, wird belohnt. Mit ihrem Sound bilden sie jedoch eine längst diverse, queere, migrantische, antipatriarchale, softe, hybride, internetaffine und globale Musikgeneration ab und verdeutlichen dabei, dass Musik dadurch interessant wird, wenn man sie nicht direkt einordnen kann, wenn einen implizite Bezüge das Album immer wieder neu hören lassen und die Auseinandersetzung mit der Ästhetik der Band ein immanenter Teil von Gaddafi Gals ist – erst dann eröffnet sich für einen der Innenraum des Tempels.

Lina Niebling

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Video zu Skimask/Mitsubishi
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