Rezension

Fettes Brot

Lovestory


Highlights: Du Driftest Nach Rechts // iKEA // Deine Mama
Genre: Deutschrap
Sounds Like: Dendemann // Fischmob // Die Fantastischen Vier

VÖ: 03.05.2019

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten. Niemand braucht ein neues Album von Fettes Brot. Die Geschichte ist bekannt; und vielleicht ist auch die Musik der Brote relevanter, als man denken könnte.

Tatsächlich sind es alte Säcke, die im Jahr 2019 Musik zur Zeit machen. Die Ärzte singen “Los komm, wir sterben endlich aus / denn das ist besser für die Welt”, und Fettes Brot halten Freunden, Gesellschaft und dem Land mit ihrer Vorabsingle den Spiegel vor: “Du driftest nach rechts! / Ich verlier' dich an die Dunkelheit”.

Auch sonst klingt “Lovestory”, das neunte Studioalbum der drei ehemaligen Umland-Hamburger, erstaunlich interessant. Nominell ein Konzeptalbum voller Liebesgeschichten, sind die elf Kurzgeschichten doch mehr. Die Brote feiern die sich entwickelnde Offenheit der Gesellschaft und die Homosexualität, sie schreiben eine quasi-auto-biographische Hymne auf eine Clique von drei Kapaiken im Vorort, und sie lassen uns tanzen, während die Liebe selbst die tiefsten persönlichen Probleme und den dazugehörigen Klinikaufenthalt übersteht. Getanzt wird auch zur Erzählung über Janas Mama, die König Boris mehr reizt als Jana selbst. Andererseits ist da auch Wehmut in diesen “Lovestor[ies]”, wenn es um Beziehungen geht, die nicht sein durften oder sollten ... oder die einfach an unüberbrückbaren Differenzen scheitern. Darüber hinaus rechnen die Brote ab mit der nicht nur durch die sozialen Medien bedingte übermäßige Selbstliebe, erzählen von der Computerliebe und lassen Tiere animalisch sein. Wenige Tracks hier sind reine Liebeslieder, aber auch die finden sich, sei es nun an die persönliche Wettermacherin oder an die vorab zum Scheitern verurteilte Beziehung von damals.

Weder textlich noch musikalisch ist die Platte perfekt. Die ein oder andere Story wurde subjektiv so schon andernorts ebenso gut oder besser erzählt, und manch Wortspiel oder Phrase lässt zusammenzucken, ob das denn jetzt wirklich so angebracht ist. In der Tat sind selbst einzelne Stücke in Gänze eher Mittelmaß. Dennoch und alles in allem zeigen sich König Boris, Björn Beton und Doc Renz in Bestform, wenn es um ihre Lyrics und ihren Sprachwitz geht. Musikalisch ist ganz viel Funk in diesen Liebesgeschichten der Brote und ihrer musizierenden Mitstreiter. Dazu gesellen sich nicht immer ganz gelungen eine Menge Jazz, mehr oder weniger klassische HipHop-Breaks und Beats und manchmal auch ganz dicke Bässe, um den Fans die gute Laune und das Tanzen zu vereinfachen.

Der Einstieg zu “Lovestory” mag mit König Boris' Intro und dem eröffnenden “Ich Liebe Mich” etwas sein, das überwunden werden muss, um zur Qualität der Platte vorzudringen. Aber wenn das geschafft ist, steht dem Genuss wenig im Wege. Dieser Genuss besteht subjektiv vielleicht nicht zuletzt aus einem nostalgischen Zurück in die 1990er, beziehungsweise darin, dabei zuhören zu dürfen, wie Fettes Brot sich einerseits auf die Klasse von 1995 besinnen und andererseits behutsam zeigen, dass sie auch im Jahr 2019 aktuell sein können.

“Lovestory” bietet Hits, Hits, mehr Hits und ein paar Stolpersteine. Natürlich können die drei Nasen aus dem Hamburger Umland ihre Kaspereien nicht vollständig abstellen. So überzeugt “Lovestory” nicht wegen dem Fehlen der Albernheit, sondern in der Mischung aus Ernst und Scherz … und wegen seiner Poppigkeit.

Oliver Bothe

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Ich Liebe Mich
Du Driftest Nach Rechts
Denxu

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Bye-Bye



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