Rezension

Drive By Truckers

The Big To-Do


Highlights: Drag The Lake Charlie // The Whig He Made Her Wear // The Flying Wallendas
Genre: Alt. Country // Americana // Blues-Rock // Rock'n'Roll
Sounds Like: Richmond Fontaine // Uncle Tupelo // Steve Earle // Nick Cave // The Hold Steady // Wilco

VÖ: 09.04.2010

Alternative Country, die Bezeichnung sagt es bereits, versteht sich als die bewusste Abgrenzung von der klassischen Countrymusik mit all ihren Einschränkungen. Wie kommt es also, dass diesem Genrebegriff dennoch ein fader Beigeschmack anhaftet? Erst letztes Jahr zeigten uns Richmond Fontaine mit „We Used To Think The Freeway Sounded Like A River“, wie intelligent und emotional diese Musik sein kann. Dieses Jahr haben es sich die Drive By Truckers zur Aufgabe gemacht, mit einem neuen Album die Ehre des Alt. Country zu retten.

„The Big To-Do“ ist bereits das zehnte Album der Band aus Athens, Georgia, klingt aber keineswegs nach einem altersmüden Werk einer ausgebrannten Band, der die Ideen auszugehen scheinen. Ganz im Gegenteil: Die Drive By Truckers haben ein Album auf die Beine gestellt, dass seine Stärken nicht offen zur Schau trägt, bei intensiver Auseinandersetzung einem aber genau das bietet, was man sich erhofft hat. Zunächst mag sich „The Big To-Do“ recht eintönig anhören. Wer sich jedoch auf Patterson Hoods Texte einlässt, wird sich schnell verlieren in den düsteren Geschichten, denen nicht selten wahre Begebenheiten zugrunde liegen. Ein Paradebeispiel für den Kontrast zwischen dem musikalischem Gewand und dem Inhalt der Songs ist „The Whig He Made Her Wear“. Es ist eine  grausame Geschichte über menschliche Abgründe, die Hoods hier in tristen Versen erzählt, und man muss dabei an die alten furchteinflößenden Folk-Songs über Mord und Totschlag denken. Hood greift die Thematik auf und setzt sie in einen modernen Kontext. Allerdings bleibt dabei der schwarze Humor auf der Strecke. Die Gitarrensoli scheinen unbekümmert, das Schlagzeug wirkt ausgelassen, und doch versteckt sich hinter dieser Fassade des geradlinig rockenden Sounds so viel mehr. Beim Hören von „The Big To-Do“ wird einem wieder einmal klar, dass die Drive By Truckers zweifelsohne zu den besten Bands ihres Genres zählen. Neben Hoods textlicher Brillanz ist es die musikalische Vielfalt, die dieses Album über seine gesamte Laufzeit interessant macht. Das von Shonna Tucker gesungene „You Got Another“ strahlt zwischen all den Uptempo-Songs eine angenehme Wärme aus, „Get Downtown“ macht den Schlenker Richtung Rock’n’Roll und „The Flying Wallendas“ zeigt, dass es bei den Drive By Truckers nicht unbedingt laut zugehen muss.

Technisch tadellos, musikalisch erstaunlich variabel und textlich außerordentlich stark präsentieren sich die Drive By Truckers auf ihrem nunmehr zehnten Album und klingen dabei so erfrischend wie eine Newcomerband, die es sich zum Ziel gesetzt hat, dem angestaubten Genre des Alternative-Country frischen Atem einzuhauchen. Wer mit dieser Art von Musik bisher nichts anfangen konnte, wird durch „The Big To-Do“ sicherlich nicht bekehrt werden, hierfür ist das musikalische Territorium dann doch zu eng begrenzt. Die Drive By Truckers wissen aber, diesen Raum zu nutzen und toben sich aus, ohne dabei den roten Faden zu verlieren.

Kilian Braungart

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