Rezension

Deftones

Saturday Night Wrist


Highlights: Hole In The Earth // Cherry Waves // Xerces // Kimdracula
Genre: Alternative
Sounds Like: Team Sleep // Far // Chevelle // A Perfect Circle

VÖ: 27.10.2006

Chino Moreno und die Deftones. Eine Hassliebe seit jeher. Auf der einen Seite das Ausnahmetalent; unersetzbar in seiner Art und Weise zerstörerische Lyriken in Emotionen zu kleiden. Eine Eigenschaft, die eine ganze Reihe Psychosen mit sich bringt und ihn somit eigentlich zu einem klassischen Solokünstler stilisiert. Doch er braucht sie. Seine Band, die nicht etwa aus Freunden, sondern ganz im Gegenteil aus Menschen besteht, die ihn nicht verstehen und die hässliche Seite eines Chino Moreno zum Vorschein bringen. Zum Beispiel die des rücksichtslosen Egoisten, der einfach seine Band im Studio stehen lässt, um sich stattdessen lieber seinem Nebenprojekt Team Sleep zu widmen. Er braucht sie deshalb, um sich selbst seinen kreativen Lebenslauf zu erhalten.

Selbiges wissen auch die anderen Bandmitglieder und so harrte man aus, bis der mittlerweile deutlich aufgedunsene Bandkopf von selbst zurückkehrte. Im Gepäck die Texte, die "Saturday Night Wrist" zur Vollendung gefehlt haben und es zu einem Klassiker machen dürften. Kaum zu glauben, dass es die Deftones tatsächlich schaffen einen Meilenstein wie "White Pony" in seinen Grundfesten zu erschüttern und womöglich sogar auf lange Sicht zu stürzen. Sechs Jahre ist selbiges nun alt und die Band hat sich zurückerinnert an alte Stärken, die damals für Furore in der gesamten Musikszene gesorgt haben. Diese unfassbare Atmosphäre beispielsweise, dick wie der dichteste Nebel, die einen verschluckt und solange gefangen hält, bis sich schließlich sämtliche Glieder ergeben. Dazu der Gesang von Chino Moreno, irgendwo zwischen Todessehnsucht und Tobsuchtsanfall. Das sind die beiden Hauptzutaten für einen Sound, der nicht nur charakteristisch, sondern einzigartig ist.

Das sich "Saturday Night Wrist" nicht nur bewusst an bewährten Tugenden orientiert, sondern diese vollkommen verinnerlicht, wirft auf den ersten Moment die Frage auf, warum man also von einem Meisterwerk sprechen sollte. Scheitern die meisten Bands doch gerade daran, dass ihnen die nötige Weiterentwicklung nicht gelingt. Die Deftones brauchen diese nicht, weil ihre Musik ein einziges Paradoxon ist, welches eine unheimliche Faszination ausübt. Schön und brutal, bekannt und fremdartig, verständnisvoll und verstörend... Man könnte ewig so weitermachen, am Ende bleibt die Lösung der Gleichung aus. Das ist der selbe Grund, warum wir lieber Mullholland Drive statt Mission Impossible schauen.

Der Ausflug in die Twilight Zone beginnt mit "Hole In The Earth". Gleichzeitig auch erste Single, entpuppt sich der Song als der Übersong, den man nach so langer Durststrecke auch erwarten kann. Tiefe bis man nur noch schwarz sieht, bleibt sofort hängen, verlässt das Ohr wohl auch nie mehr. Mehr geht nicht. "Rapture" packt die Hasskeule aus, genau wie später auch "Rats! Rats! Rats!". Da muss man erstmal schwer schlucken, bevor man den Sprung ins Höllenbad wagt. Abkühlen kann man sich aber ja dann zum Beispiel bei "Cherry Waves". Wohl einer der besten Songs, den die Deftones geschrieben haben, sorgt er für eine eiskalte Gänsehaut am ganzen Körper.

Selbige hat man sich im Vorfeld wohl auch von dem Ergebnis der Zusammenarbeit mit System Of A Down Sänger Serj Tankian versprochen. Leider bleibt der Gastauftritt in "Mein" bei einem unspektakulären Schaulaufen und so muss einmal mehr Abe Cunningham einspringen, der an den Drums auf der gesamten Albumlänge eine schlichtweg sensationelle Leistung abliefert. Songs wie "Combat", "Kimdracula" und "Beware" runden in typischer Manier eine Platte ab, die man so sicher nicht erwartet hat. Von der leider etwas unpassend wirkenden Soundkollage "Pink Cellphone" mal abgesehen, bietet "Saturday Night Wrist" das homogenste Album der Bandgeschichte. Luft nach oben scheint kaum noch möglich. Will man sich ein Denkmal setzen, müsste sich die Band jetzt auflösen.

Benjamin Köhler

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