Rezension

Deftones

Gore


Highlights: Doomed User // Hearts / Wires // (L)Mirl
Genre: Alternative
Sounds Like: Team Sleep // Palms // Chevelle // Crosses

VÖ: 08.04.2016

Das neue Deftones-Album kann man wohl getrost als schwere Geburt bezeichnen. Die Nachwirkungen des Todes von Bassist Chi Cheng hat man zwar inzwischen überwunden, allerdings ging's im Studio nicht so richtig voran. Zuerst war man mit dem Mix von Matt Hyde (u.a. Slayer, Machine Head) unzufrieden. Man suchte Ersatz, kehrte aber dann doch wieder zu Hyde zurück. Und dann äußerte sich auch noch Gitarrist Stephen Carpenter öffentlich in diversen Interviews, dass es ihm sehr schwer gefallen sei, zum neuen Album etwas beizutragen. Das waren wohl alles andere als gute Arbeitsbedingungen...

Und dennoch haben es die Deftones wieder einmal geschafft, ihrer Diskographie eine weitere gelungene Platte hinzuzufügen. „Gore“ heißt das neue Werk. Ein ziemlich martialischer Titel, zumal er zu den auf dem Cover abgebildeten Flamingos auch so gar nicht passen will. Da aber Namensgebungen ohnehin noch nie die große Stärke der Band aus Sacramento waren, wird das auch dieses Mal niemanden stören.

Auf den Inhalt kommt es schließlich an und hier liefern die Deftones gewohnt hochklassiges Material ab, wenn auch weniger zugänglich als auf den letzten beiden Alben „Diamond Eyes“ und „Koi No Yokan“. Man muss sich in einige Songs etwas hineinfuchsen, aber das ist auch das Spannende an „Gore“. Viele Stücke brauchen einige Anläufe, um sich zu offenbaren, tun dies dann aber umso nachdrücklicher. Einmal mehr wird deutlich: Wenn es darum geht, Härte und Melodien zu einer gelungenen Einheit zu formen, macht auch über zwanzig Jahre nach der Bandgründung keiner den Deftones was vor.

Ebenso klar ist, dass die Band um Frontmann Chino Moreno sich auch dieses Mal mit großen Soundexperimenten zurückhält. Zwar gibt es einige Überraschungen, wie der kleine Hardrock-Ausflug in „Pittura Infamante“ (hört sich schlimmer an, als es ist) oder das Gitarrensolo von Gast-Musiker Jerry Cantrell in „Phantom Bride“, im Großen und Ganzen bleibt man sich aber treu. Moreno wandelt zwischen melodischen Gesangsparts und wildem Gekeife, Carpenter schüttelt ein mächtiges Riff nach dem nächsten aus dem Ärmel und Drummer Abe Cunninghman...

Ja, und hier liegt der große Schwachpunkt von „Gore“. Der Drum-Sound klingt seltsam verhalten, streckenweise ist er sogar so weit in den Hintergrund gemischt, dass man ihn kaum noch wahrnimmt. Das raubt vielen Songs den Extra-Punch und ist auch deshalb nicht nachvollziehbar, weil Cunningham nicht nur technisch wohl einer der besten Drummer ist, sondern sein Spiel in der Vergangenheit zentraler Bestandteil des eigenständigen Klangkosmos der Deftones war. Dieser Umstand trübt das Gesamtbild etwas, kann aber letztendlich trotzdem nicht die Tatsache verhindern, dass die Deftones nach wie vor nicht nur relevant, sondern in ihrem Genre das Aushängeschild bleiben.

Benjamin Köhler

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